Historical Saison Band 06
Teufel ist mit deinem Bein los? Das war doch noch nicht so, als ich dich das letzte Mal gesehen habe, an Weihnachten 1814“, rief Großtante Harriet. „Ich vermute mal, das war dieser verfluchte Bonaparte! Waterloo?“
Georgie verschüttete etwas von ihrem Tee. „Aber nein … Anthony ist in Waterloo nicht verwundet worden! Er hat nicht einmal einen Kratzer abbekommen!“ Sie klang felsenfest überzeugt. Dann drehte sie sich zu ihm, als ob sie die anderen im Zimmer gar nicht wahrnähme. Ihr Gesicht war kreidebleich, und sie flüsterte: „Oder bist du doch verletzt worden?“
Er starrte sie an. „Nein, es stammt von einem Jagdunfall im letzten Winter. Ich habe mir das Bein gebrochen, und eine Sehne im Knie ist gerissen. Kein Grund zur Aufregung.“ Warum um alles in der Welt war sie sich so sicher, dass ihm in Waterloo nichts geschehen war?
Uftons würdevolle Ankündigung riss ihn aus seinen Gedanken. „Das Dinner ist angerichtet, Madam.“
Anthony blinzelte. Madam? Dann wurde ihm bewusst, dass Lyndhurst Chase jetzt eine Herrin besaß. Eine Gastgeberin. Irritiert blickte er zu Sarah hinüber, die ihn aufmunternd anlächelte.
Er holte tief Luft und sagte: „John, wärst du bitte so freundlich, meine Frau an den Tisch zu begleiten?“
Georgie hatte sich nie vorgestellt, wie es war, in diesem Haus die Gastgeberin zu sein. Sie saß nun am Kopf der Tafel, an deren gegenüberliegendem Ende Anthony Platz genommen hatte. Sie besetzte den Stuhl, auf dem zuvor Lady Mardon gesessen hatte, rechts und links von ihr hatten Lord Mardon und Viscount Townend Platz genommen.
Sie wollte ihrer Rolle gerecht werden, lächelte und bemühte sich, eine tadellose Gastgeberin zu sein. Anthony sollte keinen Anlass haben, sich für ihr Benehmen zu schämen. Lord Mardon und Lord Townend waren die Höflichkeit in Person, plauderten freundlich und ungezwungen mit ihr und schienen die Tatsache, dass aus der unbedeutenden Gesellschafterin die Herrin des Hauses geworden war, gelassen aufzunehmen.
Sie schaute sich am Tisch um. Das waren ihre Gäste. Es fühlte sich unwirklich an. Aber sie war Mrs Lyndhurst. Wieder. Oder war es das erste Mal? Oder war sie es überhaupt nicht? Indem er sie aufgefordert hatte, ihr – beziehungsweise sein Zimmer zu verlassen, hatte Anthony ihren Verdacht bestärkt, dass sie nur deshalb sein Bett teilen sollte, weil er ihr so wenig vertraute, dass er sie nirgendwo anders schlafen lassen wollte.
Ihre und Lady Townends Blicke trafen sich. Sie lächelte zaghaft. Lady Townend war ausgesprochen freundlich zu Miss Saunders gewesen und schien nie auf die gesellschaftliche Kluft zwischen einer Viscountess und einer Gesellschafterin geachtet zu haben.
Nun wandte Lady Townend den Kopf und wandte sich wieder Mr Lyndhurst-Flint zu.
Sie spürte einen tiefen Schmerz.
„Mrs Lyndhurst, haben Sie vor, am morgigen Wettbewerb im Bogenschießen teilzunehmen?“, erkundigte sich Lord Townend.
Sie lächelte gequält. „Oh, nein! Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Bogen in der Hand gehalten. Eine Pistole ja, aber keinen Bogen.“
„Eine Pistole?“ Lord Townend sah sie überrascht an.
Sie nickte. „Meine Mutter und ich sind dem Heer gefolgt. Daher hat mein Vater darauf bestanden, dass wir den Gebrauch einer Schusswaffe erlernen sollten.“
„Eine sehr weise Entscheidung.“ Seine Augen leuchteten. „Ich vermute, wenn Sie mit einer Pistole zielen können, haben Sie ein trainiertes Auge und werden das Bogenschießen als einfach empfinden. Darf ich Ihnen etwas von diesem köstlichen Hirschbraten reichen?“
Sie lächelte zustimmend und war dankbar dafür, dass die Etikette bei Tisch nur eine Konversation mit den nächsten Tischnachbarn erlaubte.
Das Dinner selbst stellte keine große Tortur dar. Sehr viel schlimmer war hingegen das anschließende Beisammensein im Gesellschaftszimmer, als die Gentlemen sich mit ihrem Portwein Zeit ließen und sie ausschließlich mit der Damenrunde konfrontiert war.
Während Miss Lyndhurst aus unerfindlichen Gründen begann, Lady Mardon und Miss Devereaux einer eingehenden Katechismus-Befragung zu unterziehen, sah sich Georgie genötigt, mit Lady Townend zu plaudern.
„Ich hoffe, dass Sie keine Abneigung gegen das morgige Bogenschießen hegen, Lady Townend? Bitte sagen Sie mir sofort, falls es etwas gibt, das Sie besonders erfreuen würde.“
Lady Townend sah sie schief von der Seite an. „Der Wettbewerb im Bogenschießen stellt kein Problem dar. Jetzt, wo Großtante
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