Historical Saison Band 08
viele Soldaten gepflegt, dass ich mich nicht an jeden einzelnen erinnere.“
„Du hast Verwundete gepflegt? Guter Gott!“
Unfähig, seine Überraschung zu verbergen, handelte Philip sich einen halb vorwurfsvollen, halb zornigen Blick ein.
„Was dachtest du denn?“ Verächtlich kräuselte Beth die Lippen. „Meinst du, ich saß im Schatten exotischer Bäume, habe mir Kühlung zugefächelt und das Blutbad auf den Schlachtfeldern ignoriert? Glaubst du, ich habe weggeschaut, wenn die Ärzte erklärten, dieser oder jener Soldat sei zu schwer verletzt, um eine Behandlung zu rechtfertigen? Oder auf meinen guten Ruf geachtet, wenn es darum ging, Menschenleben zu retten? Wie schlecht du mich kennst!“
Ihre Ironie kränkte ihn. Aber ehe er sich verteidigen konnte, erregte der Ruf einer männlichen Stimme aus dem Hof des White Hart Inn ihre Aufmerksamkeit, und Philip sah sich dem forschenden, ziemlich unverschämten Blick eben jenes rufenden Mannes ausgesetzt, der allerdings im Gegensatz zu dem, den ihm der Bulligste der Männer neben der Mauer vorhin zugeworfen hatte, nicht im Mindesten drohend war.
„Ah, Rudge! Waren Sie erfolgreich?“, fragte Beth.
„Aye, Miss“, antwortete der Mann, und seine Züge wurden umgehend milder. „Ein halbes Dutzend erstklassige Legehennen. Der Farmer wird sie heute noch in Ashworth House abliefern. Und ein paar Gänse. Obwohl ich finde, mit einem Hund wären Sie besser dran.“
Beth’ blaue Augen begannen zu funkeln, so schelmisch wie in früheren Jahren. „Vielleicht wird es Sie verblüffen, Rudge, aber Sir Philip teilt Ihre Meinung.“
„Potzblitz! Wer hätte gedacht, dass ich jemals was mit einem so vornehmen Gentleman gemeinsam habe?“, spottete Rudge keineswegs begeistert.
Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, und Sir Philip empfand das dringende Bedürfnis, den dreisten Dienstboten in die Schranken zu weisen. Doch Charles Bathurst lenkte ihn ab, indem er ihn einlud, nächste Woche mit den Damen in seinem Haus zu dinieren. Darüber hin vergaß der Baronet seinen Ärger.
An diesem Abend, am Ende eines höchst unbefriedigenden Tages, fragte sich Philip verwundert, warum ihn der mangelnde Respekt eines Dieners dermaßen ärgerte. Schließlich gestand er sich ein, was ihn tatsächlich erzürnte – nämlich die Art und Weise, wie Beth ihn behandelt hatte.
Während er Trost bei einem Glas Brandy suchte, zwang er sich zu einer beunruhigenden Erkenntnis. Nachdem er Beth nun nach all den Jahren wiedergesehen hatte, kränkte und schmerzte ihn ihr Verhalten.
Andererseits – was erwartete er von ihr? Sie war nicht mehr die schwärmerische kleine Gefährtin, die ihn vergötterte und an seinen Lippen hing, felsenfest überzeugt, dass er niemals etwas Falsches sagte oder tat. Inzwischen war sie eine junge Frau, die ihren eigenen Standpunkt vertrat – noch dazu eine junge Frau, die in Spanien mit angesehen hatte, welch schreckliches Leid Menschen einander zufügten. Bei dem Gedanken fand er ihren Zynismus verständlich.
Doch all das erklärte nicht, warum sie ihm so distanziert begegnete. Manchmal gewann er sogar fast den Eindruck, dass sie ihm feindselig gesonnen war. Was hatte er verbrochen, um ihre Abneigung zu verdienen? Und warum wollte er plötzlich jene Gefühle wieder wecken, die sie ihm früher entgegengebracht hatte?
Die Bibliothekstür ging auf, und als er hochsah, stand seine Schwester auf der Schwelle. Anscheinend zögerte sie, ihn zu stören. Beim Dinner war er gewiss kein angenehmer Tischgenosse gewesen, viel zu wortkarg. Und danach hatte er sie sich selbst überlassen.
Von seinem schlechten Gewissen geplagt, bat er sie einzutreten – obwohl er lieber mit all den ungeklärten Fragen allein geblieben wäre. „Heute habe ich dich vernachlässigt. Das möchte ich wiedergutmachen. Leistest du mir bei einem Schlummertrunk Gesellschaft? Vielleicht ein Glas Wein?“
„Nein, danke, lieber Bruder“, erwiderte Constance und nahm ihm gegenüber in einem der Sessel vor dem Kamin Platz. „Ich wollte nur fragen, ob du noch jemanden bei der Party dabeihaben willst. Die meisten Einladungen habe ich bereits abgeschickt und auch schon etliche Zusagen erhalten. Nun überlege ich, ob vielleicht jemand vergessen wurde.“
„Das glaube ich nicht. Ich habe deine Gästeliste überprüft, und niemand fehlte, soweit ich feststellen konnte.“ Philip hob sein Glas an die Lippen. „Schickst du auch Beth und ihrer Gesellschafterin eine Einladung?“
„Natürlich. Als ich
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