Historical Saison Band 08
das nicht. Andernfalls hätte er längst den Bund fürs Leben geschlossen.“
„Ach, um Himmels willen, Ann!“, rief Beth. „Er wird eben erst dreißig. Also befindet er sich wohl kaum im Greisenalter, und er hat noch genug Zeit, eine Frau zu finden, mit der er sein Leben teilen möchte. Obwohl sie den Vergleich mit Eugenie scheuen müsste …“
„Ja, auch das ist eigenartig.“ Verwirrt schüttelte die Freundin den Kopf. „Wenn Sir Philip immer noch um seine verstorbene Braut trauert, verbirgt er das gut. Bei Mr Bathursts Dinnerparty habe ich ihn aufmerksam beobachtet. Und ich kenne kaum einen Gentleman, der mit sich selbst und der Welt so zufrieden ist.“
Das gab Beth zu denken. Nach einer kurzen Überlegung musste sie zustimmen. „Trotzdem, wie ich bereits sagte – in der Öffentlichkeit zeigt er seine Gefühle nicht. Er besitzt eine bewundernswerte Selbstkontrolle. Auf Constances Urteil möchte ich mich nicht verlassen. Aber an dem Ball werden einige Leuten teilnehmen, die Philips Gemütslage vielleicht etwas besser einschätzen können.“
Vor seinem Geburtstag sollte sie dem Baronet nicht mehr begegnen, doch sobald sie am Abend des Balls die Eingangshalle von Stavely Court betrat, sah sie ihn pflichtbewusst neben seiner Schwester in der Tür des großen Salons stehen, der auch als Ballsaal benutzt wurde.
In dem modischen Kleid aus goldgelber Seide, dem Schal aus dem gleichen Stoff um die schmalen Schultern und den weißen Blumen in den Locken, war Beth sicher, dass sie gut aussah. Das bestätigte ihr auch die unverhohlene Bewunderung in den Augen des Gastgebers, nachdem er sie entdeckt hatte.
„Perfekt“, murmelte er und beugte sich über ihre Hand.
„Da übertreibst du ein bisschen“, erwiderte Beth, wie stets Realistin. „Aber ich finde meine äußere Erscheinung angemessen, und ich werde dich nicht blamieren, wenn du mich später auf die Tanzfläche führst.“
„Niemals würdest du mir Schande bereiten“, versicherte er leise und ließ ihre Hand los, damit sie seine Schwester begrüßen konnte.
Nicht gewillt, in Philips Worte mehr hineinzulesen als die Wertschätzung eines Freundes, schlenderte Beth mit Ann in den Salon und schaute sich nach vertrauten Gesichtern um.
Schon nach wenigen Sekunden erblickte sie den Reverend und seine Frau. „Ann, ich glaube, deine neue Busenfreundin bemüht sich, deine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Leistest du ihr eine Zeit lang Gesellschaft, während ich meine Tante Henrietta suche? Irgendwann muss ich diese Konfrontation ertragen, und ich möchte sie möglichst bald hinter mich bringen.“
Anns Miene verriet ihre Sorge. „Soll ich dich nicht begleiten?“
„Natürlich nicht, meine Liebe. Manche Leute halten Tante Hetta für einen Drachen. Aber mir jagt sie keine Angst ein.“ Beth lachte. „Ah, da ist sie … Und sie späht durch ein Lorgnon! Geh nur und amüsier dich. Bis später.“
Als Beth auf die Ecke zusteuerte, wo Lady Barfield Hof hielt, wurde sie durch das Lorgnon gemustert. Voller Genugtuung registrierte sie das unübersehbare Erstaunen der distinguierten Aristokratin. „Heute müsste ich deinen hochgestochenen Ansprüchen halbwegs genügen, liebe Tante.“ Diese Bemerkung konnte sie sich nicht verkneifen. „Und wie geht es dir? Hoffentlich gut?“
An eine Begrüßung, der es an der gebührenden Ehrfurcht mangelte, war Lady Barfield nicht gewöhnt. „Mir geht es recht gut, Nichte. Wie ich feststellen muss, hast du noch immer nicht gelernt, deine lose Zunge zu zügeln.“
„Glaub mir, Tante, ich bin noch zehn Mal frecher als früher …“ Ein kaum unterdrücktes Kichern erregte Beth’ Aufmerksamkeit. „Ah, Cousine Phoebe! Freut mich, dass alles stimmt, was ich über dich gehört habe. Du bist erwachsen geworden – und bildhübsch.“
Beglückt errötete die junge Dame. Auch ihrer Mutter schien das Kompliment zu gefallen, denn sie lud Beth ein, bei ihr Platz zu nehmen.
Beth bewies eine wahre Engelsgeduld, während sie einem ausführlichen Bericht über die Aktivitäten anderer Familienmitglieder und Phoebes erfolgreiche Londoner Saison lauschte – und erst recht, als Lady Barfield andeutete, sie sei bereit, ihre Nichte in der kommenden Saison ebenfalls in die Gesellschaft einzuführen.
Sobald eine ältere Dame die Tante ansprach, nutzte Beth die Gelegenheit und wandte sich an ihre andere Verwandte, die sie derzeit weit mehr interessierte.
Über Phoebes Lippen war bislang kein einziges Wort gekommen, was Beth jedoch
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