Historical Saison Band 08
durchschnitten haben, weiß er bereits. Trotzdem wollte er Sie nicht anzeigen. Aber Sie können mir glauben, meine Entführung wird er nicht so großzügig hinnehmen.“
Murslow schwieg, doch seine Selbstsicherheit begann zu bröckeln.
Beth nutzte ihren Vorteil. „Sie bilden sich doch nicht ein, dass der Viscount der Einzige ist, der nach mir sucht? Wahrscheinlich ist Sir Philip ebenfalls auf dem Weg hierher. Und er wird weder ruhen noch rasten, bis er mich findet. Wenn Sie vorhaben, nach Markham zurückzukehren – das sollten Sie vergessen. Sobald Sie sich in der Stadt zeigen, wird man Sie verhaften. Für Sie gibt es nur eine einzige Hoffnung. Verschwinden Sie aus der Gegend, und zwar so weit wie möglich. Und beeilen Sie sich, denn es hat zu schneien begonnen, nicht wahr?“
Sichtlich verunsichert, verzog Murslow das Gesicht zu einer Grimasse. Und so fand Beth es nicht verwunderlich, dass er kurz darauf aus dem Stall rannte. Zuvor hatte er den Viscount um Geldbörse, Taschenuhr und Silberflakon sowie um seine Pistole erleichtert. Ohne jeden Zweifel würde er auch das Pferd stehlen, auf dem Blackwood hierhergeritten war.
Beth verschwendete keine Zeit damit, sich über den Gauner zu ärgern. Stattdessen überlegte sie, wie sie die Wartezeit, bis Hilfe eintreffen würde, für den Viscount und sich selbst angenehmer gestalten konnte.
Zum Glück hatte Murslow in seiner Eile nicht daran gedacht, ihre Fesseln zu überprüfen, und da diese durch Blackwoods Bemühungen bereits hinlänglich gelockert waren, brauchte sie nur wenige Minuten, um ihre Hände freizubekommen. Anschließend entfernte sie die Stricke von ihren Fußgelenken und befreite auch den Viscount von seinen Fesseln. Erleichtert vernahm sie sein leises Stöhnen, das verriet, dass er zu sich kam und sie den Heimweg antreten konnten.
Ein Blick durch das offene Stalltor nahm ihr indes die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in die Zivilisation. Draußen tobte ein ausgewachsener Schneesturm. Bereits jetzt lag eine hohe Schneedecke über der Landschaft, die alle Spuren verwischte. In welche Richtung Murslow geritten war, würde sich nicht mehr feststellen lassen. An manchen Stellen hatten sich hohe Schneewehen aufgetürmt, doch was Beth am schlimmsten fand – Murslow hatte seinen ausgemergelten alten Gaul angeschirrt vor dem Karren stehen lassen, sodass das arme Tier den wütenden Elementen gnadenlos ausgeliefert war.
Beth lief nach draußen, kämpfte sich durch den peitschenden Wind, der ihr den Schnee wie Nadeln ins Gesicht trieb, und schirrte das Pferd los. Sie hakte die wild flackernde Kutschenlampe aus der Halterung und griff sich eine Decke von dem Karren, führte die alte Mähre in den Stall und brachte sie in der Box neben dem kräftigen Wallach des Farmers und dem anderen Tier, in dem sie jetzt einen Esel erkannte, unter. Der Viscount hatte sich unterdessen aufgesetzt und rieb sich den misshandelten Nacken. Da er flüsternd vor sich hin fluchte, musste er den Diebstahl seiner Wertgegenstände bemerkt haben.
„Tut mir leid, Sir“, entschuldigte sich Beth, „ich konnte nicht verhindern, dass der Kerl Sie beraubt.“ Sie stellte die Laterne auf den Boden, legte die zusammengerollte raue Decke daneben und setzte sich zu Blackwood. „Wenigstens ist er verschwunden.“
„Den Verlust meiner Börse, der Pistole und der Taschenuhr bedaure ich nicht so sehr. Nur meinen Taschenflakon vermisse ich schmerzlich. Da war nämlich Rum drin. Und wie ich freimütig gestehe – jetzt könnte ich einen Schluck brauchen.“
Erfolglos versuchte sie, Mitgefühl zu heucheln, und schlug dem Viscount lächelnd vor, das Wasser aus dem Pferdeeimer zu trinken, um seinen Durst zu löschen.
Blackwood warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Wird Murslow zurückkommen?“
„Wohl kaum. Immerhin hat er reiche Beute gemacht. Nun will er wahrscheinlich seine Haut retten. Übrigens, er ist auf Ihrem Pferd davongeritten. Oder vielleicht sollte ich sagen, auf dem Pferd des armen Mr Bathurst. Inzwischen schneit es so heftig, dass keine Hufspuren mehr zu erkennen sind. Aber Murslow wagt sich gewiss nicht nach Markham.“
„Was für ein erstaunliches Mädchen Sie sind, Miss Ashworth …“ Bewundernd lächelte der Viscount ihr zu. „Sie wurden bewusstlos geschlagen und entführt. Vermutlich müssen Sie die Nacht in dieser unwirtlichen Umgebung verbringen. Das alles nehmen Sie klaglos und tapfer hin. Die meisten anderen Frauen hätten längst einen Nervenzusammenbruch
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