Historical Saison Band 08
ebenfalls einen guten Morgen, Oswald. Außerdem bin ich seit geraumer Zeit Lady Fenwick-Clyde.“
„Ja natürlich, Miss Annabell“, erwiderte der untadelige Butler.
Annabell zuckte mit den Schultern. „Von mir aus können Sie mich ruhig weiter so wie früher nennen. Oft wünschte ich, ich wäre noch das kleine Mädchen.“ Sie legte den schweren Wollumhang, der mit Biberpelz besetzt war, ab und reichte ihn einem der Lakaien. „Meine Koffer sind noch in der Kutsche.“
„Ich lasse sie sofort auf Ihre Zimmer bringen, Miss Annabell“, versprach Oswald.
Sie dankte ihm und wandte sich an ihren Bruder. „Also, wo ist die Bestie, die dich in Angst und Schrecken versetzt und deine Ehre bedroht?“
Er blickte sie ernst an. „Das ist kein Spaß, Bella. Die Frau hat ihr Gedächtnis verloren, und ich werde sie erst los, wenn ich weiß, wer sie ist.“
„Das klingt in der Tat nach schwierigen Umständen“, räumte Annabell ein. „Obwohl es meine Frage nicht beantwortet.“
Guy seufzte tief. „Sie befindet sich wahrscheinlich in der Bibliothek. Der Raum scheint es ihr angetan zu haben.“
„Dann hat sie einen guten Geschmack.“ Annabell steuerte zielstrebig auf die Bibliothek zu.
Guy holte sie ein. „Was hast du vor?“
„Ich will sie unter die Lupe nehmen.“
„Das kann warten.“
„Nein, kann es nicht. Wenn sie dich so beunruhigt, muss ich herausfinden, was sie für ein Mensch ist.“
Er wusste, dass sein Einspruch nichts half. „Du warst schon immer die Sturste von uns allen.“
„Und die Praktischste.“
Guy sah seine Schwester davonschweben und hörte das Rascheln der Röcke ihres silbergrauen Reisekleides.
Felicia schaute von ihrem Buch auf und bemerkte eine Dame im Türrahmen der Bibliothek. Sie war nach der neuesten Mode gekleidet und die weibliche Ausgabe des Viscountss und zweifelsfrei die junge Frau auf dem Porträt.
„Guten Morgen“, sagte die Frau mit einer kräftigen Altstimme. „Ich bin Annabell Fenwick-Clyde. Vermutlich hat mein Bruder Ihnen nicht erzählt, dass er eine Zwillingsschwester und übrigens auch einen jüngeren Bruder hat.“
Felicia legte das Buch beiseite und erhob sich lächelnd. „Er erwähnte nur, dass Sie kommen würden. Alles andere habe ich dem Porträt über dem Kaminsims entnehmen können.“
Annabell drehte sich zum Bild hin. „Ja, es besteht immer noch eine erstaunliche Ähnlichkeit, besonders wenn man bedenkt, dass es vor fast dreizehn Jahren entstanden ist.“
Die Schwester des Viscounts zog die Handschuhe aus und warf sie auf einen der Polsterstühle, die mit blaugrünem Samt bezogen waren. Dann ließ sie ihre Blicke über das beiseitegelegte Buch schweifen, bevor sie sich wieder Felicia zuwandte.
„Sie kennen Ihren Vornamen, nicht wahr?“, fragte Annabell und nahm auf einem Stuhl Platz.
Ihre anmutige Art sich zu bewegen, ließ Felicia sofort an Guy denken. Nach dem, was sie am Vorabend getan hatten, schien es ihr zu unpersönlich, ihn Chillings zu nennen. Allein der Gedanke an seine Leidenschaft, seine Lippen, seine Hände und an alles andere ließ sie erröten.
„Ähem.“ Annabell räusperte sich. „Sie kennen also Ihren Vornamen?“
Felicia riss sich zusammen und verdrängte die Gedanken an den Vorabend.
„Aus den Initialen auf meiner Haarbürste und einem Ehering ließ sich schließen …“ Sie hielt inne und überlegte, warum ihr allein die Erwähnung des Rings zuwider war. „Auf der Innenseite des Rings war mein Name und der meines Mannes eingraviert. Jedenfalls scheint es so zu sein.“ Resigniert zuckte sie mit den Schultern. „Wahrscheinlich bin ich Witwe, weil ich ausschließlich schwarze Kleidung mit mir führe.“
Sie hoffte, dass sie Witwe war. Wenn sie noch verheiratet war, hatte sie am Vorabend beinahe Ehebruch begangen. Der Umstand, dass Guy verlobt war, verblasste neben der Erkenntnis, dass sie einem Mann hätte untreu werden können, an den sie sich nicht erinnerte. Doch sie hatte es gewollt. Sogar jetzt noch bei hellem Tageslicht, wusste sie, dass sie es wieder tun würde.
Annabell musterte sie eindringlich. „Denken Sie das wirklich?“
„Ich weiß es nicht.“
„Wissen Sie es nicht, oder wollen Sie es nicht wissen?“
Die pointierten Fragen der anderen Frau ließen Felicias Tonfall schärfer werden. „Ich weiß es schlicht und einfach nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich mich nicht daran erinnere, weil ich es nicht wissen will oder weil die Kopfverletzung daran schuld ist.“
Annabell lächelte
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