Historical Saison Band 09
mitnehmen sollte? Nun, am dringendsten wird sie eine Anstandsdame brauchen.“
Diese Bemerkung brachte den Duke zum Lachen. „O Harriet, Sophie treibt sich unbegleitet in London herum. Sie fährt allein mit der Postkutsche aufs Land. Und du machst dir Sorgen, sie könne eine Anstandsdame benötigen! Wahrscheinlich hat sie gerade das erste Kapitel eines neuen Buches begonnen.“
Sophie saß nicht am Schreibtisch, um ein neues Buch zu schreiben, sondern sie stand vor dem Haus ihres Onkels. Sie hörte nicht den Gesang der Vögel, nahm nicht die Düfte wahr, die aus dem verwilderten Garten herüberwehten, spürte nicht die Wärme der Sonnenstahlen auf ihrer Haut. Sie konzentrierte sich darauf, die Tränen zurückzuhalten.
Es war dumm gewesen, hierher zu kommen. Sie hätte wissen müssen, dass sie in Langford Manor nicht willkommen war. Der Brief, den ihr Onkel ihr nach Italien geschickt hatte, war eindeutig gewesen. Dennoch hatte sie gehofft, dass man sie nicht wie eine Bettlerin abweisen würde.
Der bejahrte Butler, der auf ihr Klopfen hin erschienen war, hatte sie misstrauisch gemustert und erklärt: „Seine Lordschaft empfängt keine Besucher.“
„Aber ich bin Lord Langfords Nichte.“
Dobson – sie erkannte ihn jetzt, denn er hatte bereits ihrem Großvater gedient – hatte sie gebeten, an der Tür zu warten, und war mit der Nachricht zurückgekommen, Seine Lordschaft habe keine Nichte.
„Ich bin die Tochter seines älteren Bruders. Das macht mich zu seiner Nichte, nicht wahr.“
„Es tut mir leid, Miss. Ich kann Ihnen nichts anderes sagen als das, was der Herr mir aufgetragen hat.“
Die Verzweiflung verlieh ihr ungeahnten Mut. „Dann teilen Sie meinem Onkel mit, ich würde hier warten, bis er bereit ist, mit mir zu sprechen.“
„Miss Sophie“, der Butler, der sich ebenfalls an sie erinnerte, sprach leise, aber eindringlich, „es ist besser, wenn Sie gehen. Dies ist kein glückliches Haus.“
Dann hörten beide, wie Lord Langford von irgendwoher brüllte: „Warum dauert es so lange, eine Bettlerin fortzuschicken?“
Zorn flammte in ihr auf und vertrieb die Verzweiflung. Sie drängte sich an dem alten Butler vorbei und fand rasch das Zimmer, in dem ihr Onkel sich aufhielt. Sie wollte ihn jetzt nicht mehr bitten, sie in seinem Haus aufzunehmen. Sie wollte ihn nur fragen, warum er die Verwandtschaft mit ihr verleugnete.
Schockiert stellte sie fest, dass sie das Zimmer wiedererkannte. Nichts war erneuert oder repariert worden. Die Tapete war verblasst, der Teppich an einigen Stellen abgetreten. Das einst elegante Sofa wirkte altersschwach. In einem schäbigen Sessel saß Lady Langford, eine verhärmt aussehende grauhaarige Frau, auf deren Wange sich ein hässlicher blauer Fleck abzeichnete.
Ihr Onkel stand vor dem Kamin. „Wer hat dich hereingelassen?“, wütete er. „Ich werde Dobson …“
„Ihn trifft keine Schuld. Er konnte mich nicht aufhalten. Schließlich kenne ich mich hier aus. Dies war einmal mein Zuhause, Onkel.“
„Verschwinde. Ich dulde keinen Bastard in Langford Manor.“
„Meine Eltern waren verheiratet!“
„Deine Mutter war eine Dersingham und eine Hure.“ Sophie hörte, wie ihre Tante scharf den Atem einzog. Ihr selbst entfuhr ein wütendes: „Das ist nicht wahr!“
„Ach? Warum wurdest du denn schon so kurz nach der Hochzeit geboren? Eben! Weil die Schlampe deinen Vater verführt hatte. Und nun verschwinde, du Hurenkind!“
Sie spürte, wie sie plötzlich ganz ruhig wurde. „Ja, ich bin eine Dersingham“, stellte sie würdevoll fest. „Und ich bin stolz darauf. Ich hätte nicht herkommen sollen. Einen guten Tag noch, Mylord.“
Damit hatte sie das Haus verlassen – nur um festzustellen, dass sie nicht wusste, wohin sie sich wenden sollte. Sie besaß kein Geld für die Rückfahrt nach London. Und sie kannte hier niemanden.
Nein, das stimmte nicht ganz. Mit ihrer Mutter hatte sie oft die zum Besitz gehörende Farm besucht und dort mit den Kindern des Pächters gespielt. Das waren glückliche Erinnerungen … Aber auf der Farm würde sie nicht bleiben können.
Sie griff nach ihrer Reisetasche und machte sich auf den Weg, ohne genau zu wissen, wohin sie sich wenden wollte. Immerhin nahm sie jetzt ihre Umgebung wieder wahr. Die Felder machten einen vernachlässigten Eindruck. Das Vieh auf den Weiden wirkte mager. Doch aus den Hecken schallte Vogelgesang. Eine Katze verschwand im hohen Gras. Der Wind wisperte in den Bäumen. Es duftete nach warmer Erde
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