Historical Saison Band 15
konnte man nur die Wellen gedämpft an die Küste schlagen hören. Das Unwetter von gestern Nacht war hinweg gezogen. Jetzt schien die Frühlingssonne und die Vögel zwitscherten, als wäre nie etwas geschehen.
Doch dann erinnerte Caroline sich an den Sturm des Skandals, der ihr Leben zerstört hatte. Sie riss sofort die Augen auf – und konnte gerade noch einen Schreckensschrei unterdrücken, als sie Bennett entdeckte, der im selben Bett mit ihr lag. Nur Wyn trennte sie voneinander. Womöglich wäre sie impulsiv zurückgewichen und vom Bett gefallen, wenn Bennetts Arm nicht schützend über ihr und Wyn gelegen hätte.
Nachdem sie sich vom ersten Schrecken erholt hatte, ließ sie sich von den gleichmäßigen Atemzügen ihres Sohnes und ihres Gatten beruhigen und betrachtete Bennetts Gesicht, das sie noch nie so gesehen hatte. Im Schlaf wirkten seine Züge weniger kantig und plötzlich sah er Wyn sehr ähnlich, was ihr bisher nie so sehr aufgefallen war. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte sie viele neue Seiten an ihrem Mann entdeckt. Es war auch ein seltsames Erlebnis gewesen, mit dem sanften Klang seiner Stimme in den Ohren einzuschlafen – so liebevoll, so beruhigend … so völlig untypisch für Bennett !
In diesem Moment begann er sich zu regen.
Hastig schloss Caroline die Augen und gab vor zu schlafen. Sie spürte, dass Bennett seinen Arm von ihrer Schulter nahm. Dann hörte sie, wie er aus dem Bett schlüpfte und sich aus dem Zimmer schlich.
Sobald er fort war, öffnete sie wieder die Augen und ließ ihren Blick liebevoll und gleichzeitig wehmütig auf ihrem kleinen Jungen ruhen. Sehnsüchtig betrachtete sie ihn, wollte sich jeden Zug seines geliebten kleinen Gesichts einprägen – falls heute wirklich der letzte Tag sein sollte, an dem sie mit ihm zusammen sein konnte.
Wyn schlug seine Augen auf. „Mir ist kalt, Mama. Ganz kalt.“
Obwohl er bis zum Kinn warm zugedeckt war, spürte Caroline, wie er erschauerte. Sie legte sofort ihre Hand auf seine Stirn und entdeckte, dass sie heiß war. Wyn regte sich unruhig und stöhnte leise.
„Ich glaube, du könntest krank sein, mein Liebling.“ Sie bemühte sich, ihre Angst vor ihm zu verbergen. „Bleib brav liegen, und ich hole Papa. Er wird wissen, was zu tun ist.“
Sie stürzte auf den Flur hinaus und rief Bennetts Namen. Sein Schlafzimmer war leer, deshalb wollte sie gerade die Treppe hinunterlaufen, als er schon heraufgerannt kam. „Was ist, Caro?“
Seit Jahren hatte er sie nicht mit ihrem Spitznamen angesprochen. Dass er es jetzt doch tat und sie dabei besorgt ansah, erweckte Gefühle in ihr, die sie nicht wahrhaben wollte. Sie führte ihn zum Bett des Jungen.
„Wyn hat Fieber. Ziemlich hohes, glaube ich. Er muss sich gestern im Wind und Regen erkältet haben. Wir müssen sofort nach einem Arzt schicken.“
„Hier sind wir nicht in London, wo es an jeder Ecke einen gibt. Es könnte vielleicht einen auf St. Marys geben, der sich um die Städter kümmert, aber auf den Nebeninseln …“ Bennett schüttelte den Kopf.
„Es muss doch jemanden geben, den man um Hilfe rufen kann.“ Caroline erkannte erst jetzt entsetzt, wie impulsiv und unvorsichtig ihre Entscheidung gewesen war, ihren kleinen Sohn auf eine dieser abgelegenen Inseln zu bringen. „Was tun die Menschen hier, wenn sie krank werden oder sich verletzen?“
„Sie holen eine der Tanten“, erwiderte Bennett nach kurzem Überlegen. „Heilfrauen, die ihnen einen Tee oder eine Senfpackung bereiten. Meine Mutter konsultierte sie sehr oft. Sie sagte, die Scilly-Tanten hätten ihr mehr geholfen als jeder Arzt oder Apotheker auf dem Festland. Kannst du dich um Wyn kümmern, während ich versuche, eine zu finden?“
„Ich werde mein Bestes geben.“ Caroline knabberte besorgt auf ihrer Unterlippe. „Ich habe noch nie auf ein krankes Kind aufgepasst. Was muss ich tun?“
„Du wirst es schon schaffen“, sagte er mit rauer Stimme. „Benetze seine Stirn mit kaltem Wasser. Ich schicke Parker mit Schüssel und Tuch zu dir. Bald bin ich wieder da.“
Es überraschte sie, dass er nicht vorschlug, Parker sollte sich um Wyn kümmern. Im Grunde war sie versucht, selbst diesen Vorschlag zu machen. Was würde passieren, wenn sie etwas falsch machte? Und wenn ihr Sohn nun anfangen würde zu weinen, und nicht wieder aufhören wollte?
„Mir ist so k…kalt, Mama“, jammerte der Kleine. „Es fühlt sich an, als ob ich Zahnschmerzen in all meinen Knochen habe.“
Mein Kind braucht
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