Historical Saison Band 15
Küste zur anderen gelangen konnte. Tresco würde ihr entlegenes, einsames Gefängnis werden – der Gegensatz zu dem luxuriösen, interessanten Leben, das sie in London genossen hatte.
Wie lange würde sie gezwungen sein hierzubleiben? Tief in Gedanken versunken wanderte sie gemeinsam mit den anderen durch die dunkle, windige Nacht zum Wirtshaus. Nur bis das Gerede über sie und Fitz Astley verstummt war? Oder sollte sie hier für den Rest ihres Lebens festsitzen, sobald Bennett sich von ihr scheiden ließ?
Irgendwie brachte sie die Kraft auf, weitere zwei Stunden durchzuhalten, ihnen Zimmer für die Nacht zu mieten, ein bescheidenes Mahl zu bestellen und schließlich Wyn zu Bett zu bringen. Nachdem er eingeschlafen war, schlüpfte Caroline aus dem Zimmer. Im schmalen Flur begegnete sie der Gattin des Wirtes, einer kleinen, gepflegten Frau mit roten Wangen und dunkelbraunem Haar, das an den Schläfen grau zu werden begann.
„Geht es Ihnen nicht gut, Mylady?“, fragte sie freundlich. „Erzählen Sie mir von Ihrem Problem, und vielleicht kann ich Ihnen etwas Wohltuendes kochen.“
„Ich bin nicht krank, Mrs Pender, nur müde.“ Caroline zwang sich ein schwaches Lächeln ab. „Es war eine lange Reise von London bis hierher, und ich habe nicht gut geschlafen.“
„Ich verstehe. Nun, wenn es nichts Schlimmeres ist als das, denke ich, ein Tässchen Kamillentee würde Ihnen unendlich guttun. Möchten Sie mir nicht im Salon Gesellschaft leisten?“
Caroline zögerte einen Moment. Was würden ihre Freunde in London sagen, wenn sie wüssten, dass sie sich mit der Frau eines Gastwirts abgab? Manche von ihnen würden womöglich entsetzter darüber sein als über den Skandal bei Almack’s.
Aber jetzt war sie sehr weit von London entfernt. Und keiner dieser sogenannten Freunde war jetzt bei ihr, um ihr Trost zu spenden oder sie abzulenken. Tatsächlich bezweifelte sie, dass auch nur einer von ihnen sie besuchen würde, wenn sie in London geblieben wäre. Sie schienen einen Skandal für eine Art Krankheit zu halten, an der sie sich anstecken könnten, wenn sie sich zu nahe heranwagten.
Diese schlichte Frau war der erste Mensch, der ihr Freundlichkeit entgegengebracht hatte seit jener Nacht, in der Carolines ganze Welt zusammengebrochen war. Bis zu diesem Moment hatte sie nicht erkannt, wie sehr ihr ein wenig liebenswürdige Gesellschaft gefehlt hatte.
„Das ist sehr zuvorkommend von Ihnen.“ Trotz ihrer Müdigkeit und Sorgen gelang Caroline jetzt ein sehr viel ehrlicheres Lächeln. „Eine kleine Erfrischung und ein nettes Gespräch würden mir sehr gefallen. Ich glaube, ich habe noch nie Kamillentee probiert.“
„Es gibt nichts Besseres, Mylady.“ Mrs Pender begann, die Treppe nach unten zu gehen, und Caroline folgte ihr. „Er hat einen milden Geschmack und beruhigt die Seele, sodass Sie besser schlafen können. Ich pflücke die Blüten früh im Sommer auf den Wiesen um den Great Pool, einen See ganz in der Nähe.“
Es gab Wiesen mit wild wachsenden Blumen auf dieser Insel? Caroline konnte es kaum glauben, nach allem, was sie bisher von Trescos rauer Landschaft gesehen hatte.
„Es ist uns eine Ehre, dass Sie und Ihr Sohn bei uns wohnen, Mylady.“ Die Wirtin winkte Caroline in einen gemütlichen kleinen Salon und rief dann nach einem Diener, der ihr heißes Wasser aus der Küche holen sollte. „Es freut mich, dass nach so vielen Jahren endlich wieder eine Familie auf Maitland House wohnen wird. Ich erinnere mich noch, wie Ihr Gatte mit seiner Mutter herkam, als er noch so alt war wie Ihr kleiner Junge.“
„Er war als kleines Kind hier?“ Caroline ließ sich auf einen Sessel neben dem Kamin sinken und genoss voller Dankbarkeit die wohltuende Wärme des Feuers. „Das wusste ich gar nicht.“
„In der Tat, Ma’am.“ Ihre Gastgeberin strahlte. „Meine Tante kochte für sie, und ich half ihr oft dabei. Die Countess war eine so liebenswürdige Dame, und Master Bennett … ich meine, Seine Lordschaft … sah genauso aus wie Ihr Sohn.“
„Ja?“ Da Bennett niemals von seiner Mutter sprach, hatte Caroline immer vermutet, sie müsse sehr früh gestorben sein. Wenn er alt genug gewesen war, um sich an sie zu erinnern, warum hatte er sie dann nie erwähnt? „Stand mein Mann seiner Mutter damals sehr nahe?“
„Er vergötterte sie, Ma’am. Und er war ihr ein und alles. Ständig ging sie mit ihm spazieren und hielt ein Picknick ab. Wenn das Wetter schlecht war, spielte sie Karten mit ihm und las
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