Historical Saison Band 16 (German Edition)
nachgedacht hatte, kam sie zu dem Ergebnis, dass ihre Pläne für Isabelle richtig waren. Sie musste dafür sorgen, dass sich die Geschichte nicht wiederholte. Sie selbst war von Stuart Bingham, Lance Binghams Großvater, sehr schlecht behandelt worden. Noch immer spürte sie den Schmerz, sitzen gelassen worden zu sein, und die Demütigung, als sie durch diese Geschichte fast ihren guten Ruf verlor. Auf keinen Fall wollte sie, dass ihrer Enkelin das Gleiche geschah. Die Diamanten – ein Erbstück der Binghams – hatte sie anlässlich ihrer Verlobung mit Stuart Bingham bekommen. Als er sein Eheversprechen zurückgenommen hatte, wollte er den Schmuck wiederhaben. Als eine Art Strafe hatte sie sich geweigert, die Juwelen herzugeben, und sie bis zum heutigen Tage behalten. Vielleicht war jetzt die Zeit gekommen, sich von ihnen zu trennen.
Unglaublich, dass Lance Bingham den Straßenräuber gespielt hatte, um das, was ihm von Rechts wegen ohnehin gehörte, zurückzubekommen. Mit dem fröhlichen Funkeln in seinen Augen, der weichen Linie seines Mundes und seiner Art zu sprechen ähnelte er unglaublich seinem Großvater. Sie hatte beobachtet, wie er Belle in Carlton House auf die Tanzfläche geführt und wie er sie angesehen hatte. Gegen das, was sich da anzubahnen schien, konnte man nichts tun. Der Countess schoss der Gedanke durch den Kopf, dass Belle vielleicht gar keinen besseren Mann als ihn bekommen konnte. Womöglich war er genau der Richtige, um ihre ungebärdige, rebellische Enkeltochter zu zähmen. Vielleicht war es an der Zeit, die alten Geschichten zu vergessen.
Lance befand sich in seinem Arbeitszimmer, als der Butler kam, um ihm mitzuteilen, dass die verwitwete Countess of Harworth und Miss Isabelle Ainsley gekommen waren und dass Ihre Ladyschaft darauf bestand, mit ihm zu sprechen.
Das Wort „bestehen“ sorgte dafür, dass Lance die Augenbrauen hob. „Führen Sie sie in den Salon“, befahl er knapp. „Ich werde sie dort empfangen.“
Starr nach vorne blickend, folgte Belle widerwillig ihrer Großmutter. Der Butler stieß eine Doppeltür auf und ließ sie in den Salon eintreten.
Belle empfand nichts als Demütigung, und ihr Elend vergrößerte sich noch um ein Mehrfaches, als sie sich steif auf der Kante eines Stuhls vor dem Kamin, gegenüber von ihrer Großmutter, niederließ. Sie musste an ihren letzten Besuch in diesem Haus denken. Ihr war klar, wie wütend Lord Bingham geworden sein musste, als er entdeckte, dass sie hinter seinem Rücken die Diamanten genommen hatte, und sie fürchtete den Moment, wenn sie die Verachtung in seinem Gesicht sehen würde.
Sie hatte sich nicht getäuscht. Der Mann, der kurz darauf ins Zimmer schlenderte, hatte wenig mit dem lachenden Gentleman gemeinsam, den sie vor erst vier Tagen in Carlton House kennengelernt hatte. Heute war er ein unnahbarer, eiskalter Fremder, der ihr nicht mehr als einen flüchtigen Blick gönnte, bevor er seine gesamte Aufmerksamkeit der Countess zuwandte.
„Es ist ein ungewöhnliches Ereignis, Mylady, wenn eine Ainsley über die Schwelle eines Bingham tritt“, stellte Lance in kühlem Ton fest. „Nicht dass ich etwas gegen diesen Besuch hätte. Meiner Meinung nach ist es höchste Zeit, dass etwaige Probleme, die es früher zwischen unseren Familien gegeben haben mag, endlich der Vergangenheit angehören. Sie hätten sich allerdings die Peinlichkeit dieses Besuchs ersparen können. Ich war entschlossen, Sie im Laufe des Tages aufzusuchen.“
„Dann habe ich Ihnen den Weg erspart“, erwiderte die Countess steif, die behandschuhten Hände über dem juwelenbesetzten Griff ihres Spazierstocks gefaltet. Obwohl sie so viele Jahre mit ihrem Hass auf die Binghams gelebt hatte, verfügte sie doch über zu gute Manieren, um sich ihre Gefühle anmerken zu lassen.
„Nichtsdestotrotz ist es sehr freundlich von Ihnen, sich die Mühe zu machen, mir um diese außergewöhnliche Tageszeit einen Besuch abzustatten. Kann ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?“
„Nein, vielen Dank. Ich bin nicht gekommen, um höfliche Konversation zu betreiben“, erklärte sie in Unheil verkündendem Tonfall.
Lance ging zum Kamin, legte einen Arm auf den Sims, drehte sich um und richtete seinen kühlen, forschenden Blick auf die Besucherinnen. Besonders aufmerksam schaute er Belle an, die seinen Blick zurückhaltend erwiderte. Er konnte nicht anders, als ihr Aussehen zu bewundern. Ihr Äußeres war makellos, und er kam rasch zu dem Schluss, dass er von nun an
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