Historical Saison Band 16 (German Edition)
ich sage, dass ‚erwischt‘ so klingt, als hätte er etwas Unrechtes im Schilde geführt.“
Beldons Blick glitt zu Valerian. „Ich habe es genauso gemeint. Er ist auf der linken Seite des Korridors entlanggegangen und hat die Zimmer genau gezählt. Er hatte das dritte erreicht, als ich nach oben kam.“
Lilya schnappte überrascht nach Luft. Beldon schaute sie an. Auf der fraglichen Seite des Korridors gab es nur vier Zimmer. Es war also mehr als deutlich, was Beldon gemeint hatte. Christoph hatte ihr Zimmer gesucht, aber vor allem hatte er gewusst, wo es zu finden war. Lilya schaute zu Valerian hinüber. Er wusste es auch. Viele Jahre im diplomatischen Dienst hatten es zu seiner zweiten Natur werden lassen, zu verstehen, was hinter einer Aussage versteckt lag.
Die unterdrückte Angst, die Lilya spürte, seit sie ihr Heimatland verlassen hatte, brach sich jetzt Bahn. War Christoph Agyros derjenige, den sie so sehr fürchtete? Hatte man sie gefunden? Tausende Fragen schossen ihr durch den Kopf.
„Hast du ihn nach dem Grund gefragt?“, erkundigte sich Val.
Beldon nickte. „Er sagte, er wolle Lilya mit einem Geschenk überraschen, einem Zeichen seiner Gefühle für sie.“
Beldon beobachtete sie zu genau. Lilya bemühte sich, ihre wachsende Angst zu verbergen. Wie konnte sie ihnen das erklären? Welche Erklärung konnte sie ihnen anbieten, ohne etwas von dem Diamanten und dem wahren Grund für ihre Anwesenheit in England zu erzählen? Der Abend war ruiniert. Der Spaß, den sie am Feuerwerk gehabt hatte, schwand dahin. Während alle anderen gefeiert hatten, hatte sich Christoph Agyros davongemacht. Sie hatte es erst bemerkt, als sie sich nach dem Feuerwerk vergeblich nach ihm umgesehen hatte. Während sie abgelenkt gewesen war, war er durch das Haus gestreift, auf der Suche nach ihrem Zimmer. Vielleicht hatte er sogar gewusst, was er dort finden würde!
Sei vorsichtig, ermahnte sie sich. Es gibt keinen Grund, voreilige Schlüsse zu ziehen.
„Wissen wir, welche Art von Geschenk es war?“ Val klang kühl und hellwach. Er und Beldon wirkten, als würden sie sich ihretwegen gerne mit jemandem schlagen. Das wollte Lilya unbedingt vermeiden.
„Es gab kein Geschenk.“ Beldon griff in seine Jackentasche. „Ich habe ihm nicht geglaubt und wir hatten eine Auseinandersetzung.“
Philippa atmete hörbar ein. „Auf meinem Fest?“
„Es tut mir leid, aber es war unumgänglich.“, sagte Beldon. „In seiner Jacke war nämlich kein Geschenk. Nur das hier.“
Lilya schrak beim Anblick der Pistole zurück. Beldon sah sie bedauernd an, aber seine Stimme blieb ernst. „Es tut mir leid, dass ich so direkt sein muss, Lilya. Ich erschrecke Sie ausgesprochen ungern. Falls es Sie beruhigt, ich glaube nicht, dass Christoph die Waffe auf jeden Fall gebrauchen wollte. Ich nehme nicht an, dass er heute Abend hierhergekommen ist, um Sie zu erschießen.“
„Hatte er eine Erklärung für sein Verhalten?“, warf Philippa ein. „Eine Waffe während eines Empfangs dabeizuhaben, ist sehr ungewöhnlich.“
„Er sagte, in seiner Heimat sei es das Natürlichste der Welt. Ich habe ihm das nicht geglaubt und habe deshalb den Revolver einbehalten.“ Beldon machte eine Pause und fügte hinzu: „Val, ich glaube, er war in deinem Arbeitszimmer, bevor er nach oben gegangen ist. Das große Gemälde hing schief.“
„Ob er nach dem Tresor gesucht hat?“, fragte Val.
„Möglich. Ich habe jedenfalls eindeutige Schlüsse gezogen.“ Beldon stand auf und begann, vor dem Kamin auf- und abzugehen. Lilya bemerkte, wie sehr er seinen Kopf anstrengte, um alle Teile des mysteriösen Puzzles zusammenzusetzen. „Es gab kein Geschenk. Wenn es eins gegeben hätte und wenn er gedacht hat, dass es akzeptabel sei, es im Schlafzimmer einer Dame zurückzulassen, wäre er nicht vorher ins Arbeitszimmer gegangen. Ich denke, wir können einiges als sicher voraussetzen. Erstens: Er hat etwas Wertvolles gesucht, sonst hätte er nicht nach einem Tresor Ausschau gehalten. Zweitens: Es ist etwas, was nur Lilya besitzen kann, sonst hätte er auch in den anderen Schlafzimmern danach gesucht.“
Val nickte. „Die anderen Schlafzimmer waren nicht betroffen?“
„Alle Türen waren geschlossen. Er hat nicht innegehalten, um in den anderen Zimmern nachzusehen, an denen er vorbeigekommen ist.“
Lilya biss auf ihre Unterlippe. Beldon war kurz davor, die Wahrheit aufzudecken. Sie hatte nicht mehr lange Zeit, um nachzudenken. Was sollte sie ihnen sagen? Wie
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