Historical Saison Band 16 (German Edition)
feiern.
Agyros knurrte. Das Letzte, wozu er Lust hatte, war eine aufreibende Reise mach Roseland, zum Besitz der St. Justs. Vor allem nicht, wenn Lilya vor ihm da sein würde. Agyros verließ das Haus durch die Gartentür. Diesen kleinen Sieg würde er Lilya großmütig zur Hochzeit schenken. Sie durfte ihren kleinen Urlaub nehmen. Sogar die Hochzeit und die Flitterwochen würde er ihr gönnen.
Er hatte in der Stadt zu tun. Die Gespräche über die Unabhängigkeit Griechenlands gingen voran. Prinz Otto stand kurz bevor und dann würden die Grenzen festgesetzt werden. Bei den Gesprächen musste er Auge und Ohr der Filiki sein. Danach würde er nach Cornwall fahren und Lilya überraschen. Sie würde ihn nicht mehr erwarten und glauben, sie könnte endlich in Frieden leben. Doch da irrte sie sich.
Es gab keinen Ort, an dem er jetzt lieber wäre, dachte Beldon. Er öffnete den Vorhang, um die Morgensonne hereinzulassen. Sie waren auf dem Weg von Roseland nach Pendennys, auf dem Weg nach Hause. Ihm gegenüber saß Lilya. Sie schlief und ruhte sich von der aufreibenden Reise aus. Unter ihren Augen lagen violette Schatten. Wenn sie aufwachte, würden sie in Sicherheit sein. Draußen war die Welt grün. Wildblumen wuchsen am Straßenrand.
Dank Lilya – und dem Schicksal – würde er nun endlich zur Ruhe kommen.
Sie hatten es geschafft, vier Tage lang unentdeckt zu bleiben, sowohl auf der Fahrt als auch abends, wenn sie in Gasthäusern Rast machten. Er hatte seinen Hut tief in die Stirn gedrückt und in der Öffentlichkeit die Armschlinge abgenommen. Lilya hatte die Kapuze ihres Umhangs über ihr Gesicht gezogen.
Sie hatten unglaubliches Glück gehabt, dass sie nicht verfolgt worden waren! Außerdem hatte sich seine Wunde nicht entzündet. Nur am ersten Tag war er ein wenig fiebrig gewesen.
Natürlich hatte seine Verletzung geschmerzt. Nicht einmal seine ausgezeichnet gefederte Reisekutsche fuhr ohne Rumpeln über die teilweise entsetzlich schlechten Straßen mit ihren Schlaglöchern. Aber den Schmerz hatte er aushalten können. Das Allerbeste war, dass das Gefühl vollständig in seinen Arm zurückgekehrt war und er sich keine Sorgen mehr machen musste, dass er einen bleibenden Schaden davontragen würde. Es hätte schlimmer kommen können, wie seine Großmutter immer gesagt hatte. Und sie hatte recht: Die Flucht aus London hätte wesentlich schlechter verlaufen können.
Lilya bewegte sich im Schlaf; die Reisedecke rutschte ihr von den Schultern. Was für eine besondere Person seine Ehefrau in spe doch war: so zart und schön von außen und doch innerlich so stark. Ihre Kraft versetzte ihn immer noch in Erstaunen. Sie scheute weder den Kampf noch ein Leben ohne Komfort. Sie hatte nicht mal Angst davor, bei einer Operation zu assistieren. Ob sie es nun wusste oder nicht: Ihre Stärke hatte ihm in den vergangenen Tagen Kraft gegeben.
Jetzt nahm er sie mit zu sich nach Pendennys, zu dem Ort, den er am meisten liebte, um ihn mit ihr zu teilen.
Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende …
Nein, er durfte sich diese Gefühlsduseleien nicht gestatten. Sie befanden sich weiß Gott nicht in einem Märchen!
Lilya zu heiraten bedeutete auch, ihr Erbe zu heiraten. Er hatte bisher nur bei dem Angriff ahnen können, was das für ihn hieß. Jetzt, auf der Flucht nach Cornwall, wurde ihm klar, wie geübt Lilya im Umgang mit brenzligen Situationen war: die Effektivität, mit der sie das Stadthaus geschlossen hatte, wie sie die Dienerschaft fortgeschickt hatte, um sie vor Agyros zu schützen, und wie sie die kostbaren Dinge hatte wegschließen lassen, um zu verhindern, dass sie zerstört wurden. Ihre Umsicht sagte viel über ihr früheres Leben aus. Und es war auch ein Hinweis darauf, was ihn womöglich künftig erwartete …
Er betete, dass es nie so weit kommen würde, dass sie ihre Kinder nachts in eine Kutsche setzen mussten, nur mit dem Nötigsten versehen, um Pendennys zu verlassen – um vielleicht niemals zurückzukehren. Es war der Stoff für Albträume. Was in London geschehen war, zeigte ihm, dass er sich darauf vorbereiten musste, auch wenn es nie geschehen würde. Er musste sich so verhalten und so denken, als könnte es jederzeit passieren. Gut, dann würde es eben so sein. Solch ein Ereignis wäre schlimmer, wenn es ihn unvorbereitet traf. Organisiertes Durcheinander war dem Chaos in jedem Fall vorzuziehen. Immerhin besaß er gute Pferde und eine herausragende Reisekutsche. Über alles andere würde er
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