Historical Saison Band 17
ihr großes Herz und ihren klugen Verstand zu schätzen wüsste. Der Gedanke, die wilde, geistreiche Jess, an die er sich so gut erinnerte, könnte heiraten, ließ ihn unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballen … und weckte den tiefen Wunsch in ihm, ihrem Verehrer einen Schlag auf die Nase zu verpassen.
Plötzlich kam ihm die fürchterliche Idee, Cousin Rich könnte dieser geheimnisvolle Mann sein, und ihm war, als würde er den Boden unter den Füßen verlieren und alles würde sich um ihn drehen. Er liebte beide, jeden für sich genommen, war es da nicht eine Schande, dass allein der Gedanke, sie könnten heiraten, ihm Übelkeit verursachte?
Er wagte es kaum, sich zu bewegen, weil er fürchtete, Jessica könnte ihn hören. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als zu warten, bis sie zu Bett gegangen war, bevor er es riskieren konnte, sich davonzuschleichen.
Morgen würde er sich einer Schar hoffnungsvoller junger Damen stellen müssen, die ihn nicht im Geringsten interessierten, und dennoch wurde von ihm verlangt, eine unter ihnen auszuwählen, mit der er den Rest seines Lebens verbringen würde. Darum sollten seine Gedanken eigentlich kreisen, und dennoch wanderten sie immer wieder zurück zu Jessica und ihrer Sehnsucht nach ihrem mysteriösen Verehrer. Er selbst sehnte sich nicht nach Liebe, und ganz gewiss wollte er keine für seine Frau empfinden. Warum also die Vorstellung, Jessica könnte eine leidenschaftliche Verbindung eingehen, ob nun in der Ehe oder nicht, ihn so beunruhigte, konnte er sich gar nicht erklären. Niemals würde er sich in eine Frau wie sie verlieben, die ihm entweder Gleichgültigkeit entgegenbrachte oder wie ein wütender Stier auf ihn losging!
Also wollte er sie zwar nicht selbst heiraten, aber ein anderer Mann durfte es auch nicht? Was bedeutete das im Grunde? Dass du ein Neidhammel bist, sagte er sich voller Abscheu. Allerdings darf sie es nicht persönlich nehmen, entschuldigte er sich insgeheim bei der hoffentlich tief und fest schlafenden Jessica. Ich will ja auch keine andere Frau heiraten!
Es blieb ihm nur keine andere Wahl, da er an die Erbfolge denken musste. Und an eine der zur Gesellschaft geladenen Damen würde er wenigstens nicht sein Herz verlieren.
Sich mit Leib und Seele auf einen einzigen Menschen einzulassen war töricht – das hatte die Ehe seiner Eltern ihm gezeigt. Jack erinnerte sich, wie zornig er als sechzehnjährige Waise auf seinen Vater gewesen war, der ohne seine Frau nicht mehr weiterleben wollte. Man hatte allgemein behauptet, es sei ein Reitunfall gewesen. Seine Gnaden, vom Kummer betäubt, sei zu dicht am Rande des alten Steinbruchs abgestiegen und ausgerutscht, sodass er den Hang hinuntergestürzt war. Jack wusste allerdings, dass die Wahrheit ganz anders aussah.
Sein Vater hatte getrunken, mit sich gerungen und mit seinem Schicksal gehadert, nachdem seine Frau in einem verspäteten verhängnisvollen Versuch, ihm einen zweiten Sohn zu schenken, ums Leben gekommen war. Die Ärzte hatten vor dem Risiko einer zweiten Schwangerschaft gewarnt. Auch jetzt traten Jack Tränen in die Augen, wenn er daran dachte, wie seine sich mit Hingabe liebenden Eltern ihre Leidenschaft gezügelt hatten, um eine Geburt für so viele Jahre zu verhindern. Wie sehr sie sich geliebt haben mussten!
Nicht, dass ihre leidenschaftliche Beziehung ihn die Folgen ihrer Liebe in einem attraktiveren Licht sehen ließ. Er mochte ja das Kind zweier Menschen sein, die aus Liebe geheiratet hatten und nicht aus Vernunftgründen, aber eben diese Liebe hatte seinen Eltern nicht viel Freude gebracht. Ebenso wenig wie ihrem Sohn, da sie viel zu sehr damit beschäftigt gewesen waren, sich zu streiten, sich zu vertragen und sich dann wieder ewige Treue zu schwören – und so die meiste Zeit überhaupt nicht bemerkten, dass sie auch ein Kind hatten. Mit der Erfahrung eines Erwachsenen sah Jack jedoch ein, wie groß die Belastung für beide gewesen sein musste.
In jedem Fall war eine solche Beziehung nichts für Jack. Er beabsichtigte, für seine Kinder da zu sein und sie zu lieben, selbst wenn er ihrer Mutter nicht ebenfalls Gefühle entgegenbringen konnte.
Das alles erklärte allerdings nicht, warum der Gedanke an Jessicas geheimnisvollen Geliebten ihm so naheging. Sie war doch eigentlich nur eine besonders anstrengende Cousine, oder? Ein Ärgernis, eine Herausforderung, eine ebenbürtige Kontrahentin – zumindest damals, als er noch jung und wütend auf das Leben gewesen war.
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