Historical Saison Band 17
Jetzt war sie anders, überhaupt nicht mehr so wie die wilde Jess von damals, sodass er sich fast schon eingeredet hatte, sie sei wirklich die unbedeutende Person, die sie selbst vorgab zu sein.
Wieder musste er sich zusammennehmen, um nicht unruhig auf und ab zu gehen, denn der Gedanke an eine Jessica, die sich irgendwo zwischen den beiden Extremen befand, war fast zu gut, um wahr sein zu können.
Wenn sie sich nicht darauf versteift hätte, das Leben einer exzentrischen alten Jungfer zu führen, weil sie diesen unerreichbaren Liebhaber nicht haben konnte, wäre sie die perfekte Frau für ihn gewesen. Ihre Gefühle würden dem anderen Mann gehören, also würde sie von ihm selbst keine Liebe erwarten. Jack kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie ihn nie betrügen würde, selbst wenn dieser Geliebte plötzlich doch noch zur Verfügung stehen sollte. Jack mochte sie eigentlich, trotz ihrer kratzbürstigen Art ihm gegenüber, und sie war so schön, wie er ihr an jenem Tag in London gesagt hatte – allerdings, ohne sie davon überzeugen zu können.
Als seine Gattin wäre sie anmutig, würdevoll und schön, und er würde sich darauf verlassen können, dass sie sich um seine Familie und seine Pächter kümmerte, falls er abwesend sein musste. Ihre Kinder würden genauso charaktervoll sein wie sie, und es würde ihm gewiss Freude bereiten, sie zu zeugen. Schon der Gedanke, Jessica zu verführen, ließ seinen Körper voller Verlangen auf ungewohnt heftige Weise reagieren.
Wenn er sie nur überreden könnte, einer Vernunftheirat zuzustimmen, könnte er mit seinem Leben zufrieden sein. Ja, wenn er also die folgenden zwei Wochen nutzen konnte, Jess zu beweisen, wie gut sie zueinander passten, dann würde er sich sogar auf eine Ehe mit ihr freuen, statt sie als Bürde zu betrachten.
Hier im Schatten des Herrenhauses und während der Mond sich endlich dazu herabließ, sein Antlitz zu zeigen, klang die Idee vernünftig – aber er wusste auch, dass es eine Herausforderung sein würde …
Jack verzog den Mund zu einem selbstbewussten Lächeln. Es wurde Zeit, dass Jess die außergewöhnlichen Freuden kennenlernte, die sie sich mit ihrer dummen Absicht versagte, die sprichwörtliche alte Jungfer zu werden. Er nahm sich vor, sie so unerbittlich zu jagen wie das geschickteste Raubtier. Plötzlich war die Zukunft voller köstlicher Möglichkeiten. Verführerische Bilder erschienen vor seinem inneren Auge: Von sinnlichen Sommernächten mit Jess, leidenschaftlichen Küssen im Mondenschein …
Doch sofort schlug seine Stimmung um, als er sich vorstellte, sie könnte so in den Armen eines anderen Mannes liegen. Er beruhigte sich nur, da ihm einfiel, wie düster sie geklungen hatte, wie hoffnungslos, ihr mädchenhafter Traum könnte je in Erfüllung gehen. Trotzig weigerte Jack sich, Gewissensbisse wegen eines Fremden zu haben. Der Kerl hatte seine Chance gehabt und sie nicht genutzt oder war nicht klug genug gewesen, um sie überhaupt zu bemerken. Solche Dummköpfe verdienten es nicht, dass ihre Geliebten sich ihretwegen das Leben ruinierten. Jessica verdiente Besseres als ein Leben ohne Leidenschaft, und wer wusste schon, was er selbst verdiente. Jack hoffte jedenfalls, er verdiente eine Frau, bei der er nicht vor Langeweile irrsinnig wurde.
Er hoffte, er verdiente Jessica!
Doch wie töricht er gewesen war, bis zu diesem Moment nicht zu erkennen, dass nur Jessica seine Duchess werden konnte!
Alle übrigen Frauen erschienen ihm plötzlich unwichtig.
Schon der Gedanke, die kühle, gefasste Jessica Pendle könnte in seinen Armen zu einer wilden, hingebungsvollen Geliebten werden, erregte ihn derart, dass er sich fragte, wie lange er sich schon etwas vorgemacht hatte. Er erinnerte sich noch genau, wie sie in jenem Londoner Ballsaal ausgesehen hatte, und verstand einfach nicht, wie ihm eine solche Schönheit so lange entgangen sein konnte. War er selbst so blind gewesen, oder hatte Jessica ihr gutes Aussehen viel zu wenig betont? Wie hatte er nur bis heute ihr seidiges kastanienbraunes Haar nicht bemerken können, das im Licht der Kronleuchter so wundervoll glänzte? Wie hatte er sich nicht danach sehnen können, es zu berühren?
Weil Jessica schon die Vorstellung lächerlich fand, ihr Haar könnte anziehend sein! Ebenso wenig wie ihre atemberaubende Figur, die feinen Züge ihres Gesichts, die lebhaften Augen mit dem ungewöhnlichsten Meergrün, das er je gesehen hatte – und dann war da noch dieser verlockende Mund…
Weitere Kostenlose Bücher