Historical Saison Band 20
vorgesprochen hätte.
„Eine äußerst impertinente Person, Mylady“, sagte der Butler. „Sie bestand darauf, Sie zu kennen und mit Ihnen reden zu müssen. Sie war sehr beharrlich. Am Ende musste ich zustimmen, Ihnen eine Nachricht zu überbringen, um sie loszuwerden.“
„Was für eine Nachricht?“
„Sie sagte, sie hätte die Wahrheit herausgefunden. Und sie erwähnte den Namen Alain Poiret.“
Claudia horchte auf. „Wann war das?“
„Vor ungefähr zweieinhalb Stunden.“
„Schicken Sie sofort Lucy zu mir.“
„Sie haben Lucy den Nachmittag freigegeben, Mylady.“
„Das hatte ich ganz vergessen. Ist der Earl zu Hause?“
„Nein, Mylady.“
Unruhig kaute sie auf ihrer Unterlippe. Dies konnte nicht warten. Sie musste Madeleine sofort sprechen. Anthony würde zwar nicht begeistert sein, wenn sie sich ohne Begleitung in dieses Viertel begab, aber das ließ sich jetzt nicht ändern. Wenigstens hatte sie ihre kleine Pistole dabei. In letzter Zeit ging sie nie ohne sie aus dem Haus.
Gleich darauf war sie schon aus dem Haus und stieg in die Mietskutsche. „Rue Hermès, und beeilen Sie sich.“
Als Anthony zwanzig Minuten später heimkehrte, wunderte er sich sehr über die Nachricht, seine Frau sei noch einmal ausgegangen.
„Wohin?“, fragte er.
„Ich weiß nicht, Mylord.“
Ein Lakai trat vor und räusperte sich respektvoll. „Verzeihung, Mylord, aber Mylady ist zur Rue Hermès gefahren.“
„Woher weißt du das?“
„Ich habe gehört, wie sie den Kutscher anwies, Mylord.“
„Wer war bei ihr?“
„Niemand, Mylord. Sie ging allein.“
„Allein!“
Einen Augenblick war Anthony fassungslos, er traute seinen Ohren kaum. Es war unverantwortlich von ihr, sich allein in diese unsichere Gegend zu begeben. Sorge und Verärgerung kämpften in ihm.
„Hat sie gesagt, was sie dort wollte?“
Der Butler schluckte mühsam. „Es muss etwas mit der Frau zu tun haben, die vorhin hier war.“
Nachdem Anthony die Geschichte des Butlers gehört hatte, wurde seine Stimmung noch finsterer. „Matthew soll sofort mein Pferd satteln, und eins für sich.“
Damit eilte er hinauf, wo er eine Pistole in seine Weste steckte und eine weitere in die Jackentasche. Wenige Minuten später war er auf dem Weg.
Kein Laut war aus dem Haus zu hören, als Claudia dort ankam. Sie trat ein, hielt im Flur kurz inne und lauschte. Immer noch nichts. Langsam stieg sie die Treppe hinauf und klopfte an Madeleine Fourniers Tür, die sofort ein wenig nachgab. Es war offen. Claudia klopfte noch einmal, und als sie keine Antwort erhielt, stieß sie die Tür ganz auf und trat ein.
„Mademoiselle Fournier?“
Sie blieb auf der Schwelle stehen und sah sich im karg eingerichteten Raum um, erfasste eine Waschschüssel aus Holz, einen Stuhl, ein schmales Bett − und die Frau, die darauf lag. Man hätte glauben können, dass Madeleine Fournier schliefe, wenn nicht ihre Augen offen und starr auf die Decke gerichtet gewesen wären. Die tiefrote Linie um ihren Hals deutete auf die Art ihres Todes hin. Claudia erstarrte, bis ins Innerste erschüttert. Dann holte sie zitternd Luft und ging auf das Bett zu.
Eine Holzdiele knarrte hinter ihr, und Claudia erschauderte. Rasch wirbelte sie herum und blickte in den Lauf einer Pistole. Dann sah sie auf und erkannte den Mann, der die Waffe hielt. Ihre Angst vermischte sich mit Erstaunen.
„Monsieur Viaud!“
„Lady Ulverdale!“ Einen Moment blieb die Pistole auf sie gerichtet, dann wurde sie langsam gesenkt. „Vergeben Sie mir“, sagte er. „Ich dachte, der Mörder wäre vielleicht zurückgekommen. Sind Sie auf dem Weg herein irgendjemandem begegnet, Mylady?“
Erleichtert und bemüht, ihre Fassung wiederzugewinnen, atmete Claudia tief durch. „Nein.“
Er blickte zum Bett und seufzte. „Wenn ich nur früher gekommen wäre.“
„Warum sind Sie hier?“
„Ich hatte gehofft, mit ihr reden zu können. Dürfte ich fragen, warum Sie hier sind, Mylady?“
„Aus demselben Grund. Sie hinterließ mir eine Nachricht.“
„Ach?“ Er musterte sie aus blassblauen Augen. „Was für eine Nachricht?“
„Nur, dass sie mich zu sprechen wünschte.“
„Hat sie keine Andeutung gemacht, weswegen?“
„Nein, nur dass sie die Wahrheit entdeckt habe, aber ohne Einzelheiten.“
„Das ist höchst bedauernswert.“ Viaud seufzte wieder und steckte die Pistole in seinen Gürtel. Dabei bemerkte Claudia den Ring an seiner Hand. Er war aus Gold, mit einem flachen schwarzen Stein. Ihr Mund
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