Historical Weihnachtsband 1990
kommt niemals mit, aber alle Cowboys und auch Will und ich und die Kinder. Sie können gern bei uns mitfahren", schlug Lula ihr großzügig vor.
Darüber dachte Melinda nach. Es würde Spaß machen, wieder einmal zu einer Feier zu gehen, zu tanzen, zu plaudern und zu lachen. Es war eine der wenigen Gelegenheiten, wo man sich fein anziehen und mit anderen Frauen austauschen konnte. Im Panhandle, wo der Abstand bis zum nächsten Nachbarn oft Meilen betrug, konnte man sehr einsam werden. „Ich würde ja gern ..." Sie zögerte.
Ein Kleid war das Problem. Sie besaß nur ein schönes Gewand, so eine Art Sonntagskleid aus blauem Wollstoff. Nicht nur hatte sie es in den vergangenen zwei Jahren zu jedem besonderen Ereignis getragen, sondern es war auch kein richtiges Tanzkleid, denn es war hochgeschlossen und ziemlich einfach.
Damals hatte sie zum Besuch des Balls jeweils ein grünes Samtkleid angezogen, das sie aus East Texas mitgebracht hatte, doch das war alt und abgetragen. Melinda besaß es schon seit einer Ewigkeit, es war überhaupt nicht mehr modern, und sie . . .
nun, wenn sie ehrlich war, sie wollte besonders hübsch aussehen.
„Dann ist es also abgemacht", fuhr Lula überzeugt fort. „Sie werden viel Spaß haben.
Mir gefallt es immer. Will tanzt zwar nicht, aber es sind genug andere Männer da."
Bedeutungsvoll lächelte sie Melinda an. „Und viele von ihnen sind unverheiratet.
„Ich bin nicht auf der Suche nach einem Ehemann", wehrte Melinda ab.
„Pah!" Mit einer Handbewegung wischte Lula den Einwand zur Seite. „Welche Frau ist das nicht?"
Sie unterhielten sich weiter, während sie das Früchtebrot zubereiteten. Melinda stellte fest, daß Mrs. Moores Finger genauso flink waren wie ihr Mund, und als Lula sich am Nachmittag verabschiedete, lagen acht Früchtebrote in tiefen, schmalen Kuchenformen.
Nachdem Lula fort war, machte Melinda im Speisekammerregal Platz für mehrere flache Gefäße, die sie mit kochendheißem Wasser füllte. Die Formen mit dem Früchtebrot bedeckte sie mit sauberen Leinenservietten und setzte sie zum langsamen Garen in die Gefäße.
Während der Arbeit überlegte sie unablässig, was sie zu dem bevorstehenden Weihnachtstanz anziehen könnte. Je mehr sie an den Ball dachte, desto lieber wollte sie dabeisein. Ihr erster Lohn reichte zwar für Lees Weihnachtsgeschenke, aber es blieb nicht genug Geld, um auch noch den teuren Stoff für ein Ballkleid zu kaufen.
Und Lee kam zuerst.
Nach dem Abendessen kehrte Melinda in ihr Häuschen zurück und schaute ihre Kleider durch, als würde etwas zum Vorschein kommen, das sie vergessen hatte.
Leider waren sie alle gleich: praktische, langweilige schwarze, braune und blaue Röcke und Blusen. Melinda seufzte. Sie hatte auch gar nicht die Zeit, sich etwas zu nähen, selbst wenn sie genug Geld hätte. Mit ihrer ohnehin schon anstrengenden Arbeit und den zusätzlichen Weihnachtsvorbereitungen war sie vollauf beschäftigt.
Sie würde das blaue Sonntagskleid anziehen müssen. Das schickte sich auch eher für eine Witwe, die ein Kind hatte und nicht mehr jung war. Sie wandte sich ab.
Da fiel ihr eine große braune Schachtel im obersten Schrankfach ins Auge. Sie stutzte. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht. Als sie ins Panhandle umgezogen waren, hatte sie es nicht übers Herz gebracht, ihr Hochzeitskleid wegzuwerfen. So hatte sie es mitgenommen. Zweifellos war es inzwischen vergilbt und von Motten durchlöchert.
Melinda zögerte, doch dann streckte sie sich auf die Zehenspitzen und holte die Schachtel herunter. Sie band die Schnur auf, mit der die Schachtel verschlossen war, und öffnete sie. Satin und Spitze quollen ihr entgegen. Melinda nahm das Kleid heraus und breitete es auf dem Bett aus. Der Stil war natürlich altmodisch, und die Farbe war völlig verkehrt. Aber es war gutes, teures Material, das für ein Ballkleid geeignet war, und wenn sie es umfärbte und änderte . . .
Ein Lächeln breitete sich über Melindas Züge. Sie konnte etwas daraus machen. Es war wahrscheinlich gefühllos, ihr Hochzeitskleid zum Ballkleid umzuarbeiten, aber sie konnte es nicht ändern. Die Vorstellung, etwas Hübsches und Neues zum Anziehen zu haben, war zu verlockend.
Vergnügt holte sie sich ein Blatt Papier und begann zu skizzieren, was sie aus dem weißen Kleid machen würde.
★
Zwei Abende später saß Melinda in ihrem Wohnzimmer neben dem freistehenden Ofen, den Kopf dicht an der Kerosinlampe, um jeden Lichtstrahl auszunutzen, und
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