Historical Weihnachtsband 1991
Ruth und stellte ihre Einkäufe ab, „was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?"
Amelia stürzte auf Ruth zu. „Ruth, du mußt mir etwas Geld leihen. In drei Monaten wird meine Erbschaft fallig, dann bekommst du alles zurück."
„Aber du hast doch Geld, und wenn du irgend etwas brauchst, wird Carlton deine Rechnungen begleichen."
„Versuch doch bitte, mich zu verstehen. Ich muß fort. Ich kann nicht hierbleiben und Yancy heiraten. Du bist die einzige, der ich
mich anvertrauen kann. Ich möchte nach Europa zurück."
„Setz dich erst mal, Amelia. Das braucht doch nicht in diesem Augenblick entschieden zu werden." Ruth führte Amelia zum Sofa. „Haßt du denn Yancy so sehr?" fragte sie, nachdem sie sich gesetzt hatten.
„Ich verabscheue ihn."
Der Ausdruck in Amelias Gesicht und die Art, wie sie das sagte, ließen in Ruth Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Äußerung aufkommen. Dennoch versuchte sie, ihre Schwägerin zu trösten. „Nun, wenn du wirklich meinst, mit Yancy nicht glücklich werden zu können, dann werde ich mal mit Carlton reden. Glaub mir, Liebes, meistens hört er auf das, was ich sage."
„Du verstehst das nicht richtig. Yancy will mich zwingen, ihn zu heiraten!"
„Und wie will er das anstellen?"
„Er . . . nun, er ... er würde es einfach tun."
„Amelia, gibt es da noch etwas, was du mir verheimlichst? Hat er.. .?"
„Ja." Amelia schlug die Augen nieder, sie war nicht imstande, Ruth in die Augen zu sehen. Sie sandte ein Stoßgebet zum Himmel, in dem sie Gott um Verzeihung bat.
„Ich bin nicht schwanger, aber wenn das so weitergeht, wird es nicht lange dauern.
Dann wird Carlton darauf bestehen, daß ich ihn heirate." Sie blickte auf und sagte aufrichtig: „Ruth, wenn Yancy da ist, scheint mir jegliche Kontrolle aus den Fingern zu gleiten. Ich habe noch nie so einen Mann kennengelernt, und das jagt mir Angst ein."
Ruth war ehrlich entrüstet. „Ich wußte ja nicht. . . Natürlich werde ich dir helfen zu entfliehen, wenigstens für ein oder zwei Wochen, oder bis ich Carlton davon überzeugen kann, was für einen Bock er geschossen hat. Es wird Carlton gar nicht gefallen, aber er wird seine Meinung ändern, wenn ich es ihm erkläre. Wir müssen sofort mit Packen beginnen, dann kannst du morgen früh abreisen."
„Wohin soll ich denn gehen?"
„Zu dem Sommerhaus in den Bergen."
„Ja, das ist das Richtige! Ruth, mir wäre es lieber, wenn Carlton nichts von unserem Gespräch erfahrt. Ich weiß, er wäre sehr enttäuscht von mir, und das könnte ich nicht ertragen." Außerdem, dachte Amelia, möchte ich nicht, daß er sich mit Yancy schlägt. „Und du wirst Carlton nichts sagen, bis ich weg bin, nicht wahr?"
Zwar konnte sie Amelia dies nicht sagen, doch Ruth wußte, der einzige Weg, Carlton zur Beendigung dieser ganzen Farce zu veranlassen, war der, ihm alles zu sagen. „Er wird nicht vor morgen spätabends erfahren, daß du weg bist. Du mußt Yancy eine Nachricht zukommen lassen, daß du dich nicht wohl fühlst und heute abend zu Hause bleiben wirst."
„Du mußt mir versprechen, daß du Yancy unter keinen Umständen verrätst, wo ich mich aufhalte."
„Das verspreche ich. Und nun mach dir mal keine Sorgen mehr. Warte in aller Ruhe ab, und du wirst sehen, daß sich alles zum Besten wendet."
Als Yancy Amelias hastig hingekritzelte Mitteilung empfing, hatte er sofort das Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Da er jedoch nicht ganz sicher war, beschloß er, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Außerdem freute er sich, einen Abend gemütlich zu Hause verbringen zu können, zumal er in einigen Tagen viel zu Pferd unterwegs sein würde. Wie er Carlton bereits erklärt hatte, wollte er Amelia mit nach Calico nehmen. Oh, sie würde kratzen wie eine in die Ecke getriebene Wildkatze, aber das würde ihr nichts nützen. Es wurde Zeit, daß sie merkte, wie stolz sie auf das sein konnte, was ihr Vater im Leben erreicht hatte, und daß sie an die glücklicheren Tage ihrer Kindheit erinnert wurde.
Sobald Carlton am nächsten Morgen ins Büro gegangen war, kam Amelia aus ihrem Zimmer. Auf dem Küchentisch wartete ein Teller mit Eiern, Fleischsauce und Brötchen auf sie.
Als Ruth mit der Beladung des Packpferdes zufrieden war, wartete sie geduldig, bis ihre Schwägerin zu Ende gefrühstückt hatte. Mit einem Hosenrock, Flanellhemd, Reitstiefeln und einem breitkrempigen Hut mit Kinnriemen angetan, war ihr Aussehen gänzlich verschieden von ihrer sonstigen modischen
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