Historical Weihnachtsband 1991
kuschelte sich wieder in Angelicas Arme und murmelte schläfrig: „Nun habe ich den Weihnachtsstern gesehen, nach dem Mama und Papa mir meinen Namen gegeben haben."
Tom, der auf Matthews Knien saß, seufzte mit der ganzen Ungeduld eines älteren Bruders. „Es hat nur ein einziges Mal einen Weihnachtsstern gegeben, aber das ist schon schrecklich lange her."
„Außerdem", pflichtete Tim ihm bereitwillig bei, „außerdem kann man in der Stadt gar keine Sterne sehen wegen des Rauchs und der Gaslaternen, du dumme Gans."
Phoebe legte mahnend eine Hand auf den Kopf ihres Sohnes. „Du sollst deiner Schwester nicht solch häßliche Worte sagen."
„Entschuldigung", murmelte Tim.
Geoffrey zog seinen Jungen an sich und meinte verständnisvoll: „Die Kinder sind müde. Es ist längst schon über die Schlafenszeit hinaus."
Stella flüsterte eigensinnig, dicht an Angelicas Ohr: „Und ich habe doch meinen Stern gesehen."
Angelica lächelte und drückte Stella innig an sich. Wie sehr wünschte sie sich, ein eigenes Kind im Arm zu halten. Doch gleich wieder tadelte sie sich im stillen wegen eines so hoffnungslos unerfüllbaren Wunsches.
★
Als sie das Haus der Familie Addams erreichten, war Stella längst eingeschlafen.
Matthew nahm Angelica das Kind ab, und Geoffrey trug die nur noch halbwachen Zwillinge. Während die Herren zum Kinderzimmer schritten, traten Phoebe und Angelica in den Salon.
„Ich bin so froh, daß Matthew nun doch ein Haus hier in London gekauft hat und hierher zieht", sagte Phoebe. „WTir haben ihn so sehr vermißt."
„Wo steht denn das Haus?"
„Ich weiß es nicht. Es scheint sich dabei um eine Art Überraschung zu handeln, denn er und Geoffrey lächeln, sobald ich danach frage, nur vor sich hin, als ob sie etwas zu verbergen hätten.
„Sonderbar." Angelica zögerte ein wenig, dann erkundigte sie sich nach dem, was ihr schon die ganze Zeit auf der Seele gebrannt hatte. „Wer ist die Frau, mit der Matthew sich trifft?"
Verblüfft schaute Phoebe sie an. „Ich verstehe nicht, was du meinst. Soweit ich weiß, hat er die ganze Zeit seit seiner Ankunft bei uns verbracht."
„Du irrst dich. Er hat mir selbst gestanden, daß er . . ." Die Stimme wollte nicht ganz gehorchen. „ . . . daß er in jemanden hier verliebt sei. Ich nahm natürlich an, du würdest sie kennen."
„Aber Geoffrey sagt doch ..."
Was auch immer Phoebe dabei war zu enthüllen, blieb dahingestellt. Die beiden Herren betraten den Salon. Geoffrey ging zum Büffet und goß Cognac für seinen Gast und sich selber ein. Das Mädchen brachte heiße Schokolade für die Damen.
„Die Buben schliefen bereits, bevor wir im Kinderzimmer waren. Sie haben den Abend wohl sehr genossen."
„Ich beneide dich", gestand Matthew. „Du hast drei wahre Engel im Haus."
„Na, gar so engelhaft sind sie ganz und gar nicht immer." Phoebe lachte. „Manchmal könnten sie das genaue Gegenteil genannt werden."
Angelica umschloß die Tasse mit beiden Händen, um sich die kalten Finger zu wärmen. „Ich muß zurück", sagte sie. „Wir sollten die Pferde in dieser Kälte nicht unnötig lang angeschirrt lassen."
„Die Pferde sind längst im warmen Stall", hielt Geoffrey dagegen. „Ich hatte natürlich angenommen, du bliebest bei uns und hülfest uns, den Weihnachtsbaum zu schmücken."
„Ja, Angelica", unterstützte Phoebe ihren Mann. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß du uns so früh am Weihnachtsabend schon verlassen willst."
Angelica blickte zu Matthew Thornton hinüber.
„Bitte, bleiben Sie", bat er leise.
Sie schlug die Augen nieder. „Gut, noch eine Weile." Einmal mehr wußte sie nicht, woran sie mit Matthew war. Eines nur war sicher: Je länger sie in seiner Nähe blieb, um so schwerer würde ihr dann der Verzicht auf den geliebten Mann fallen. Und doch
konnte sie nicht aufbrechen, nicht jetzt, da er sie zum Bleiben ermutigt hatte.
Mochte es auch noch so schmerzlich sein, seine Nähe zu ertragen im Bewußtsein, daß er nur allzu bald für immer von ihr gehen würde. Doch ohne diesen Schmerz hätte ihr Leben nur eine große Leere dargestellt. Und damit wurde sie noch viel weniger fertig.
Warum Matthew sie gebeten hatte zu bleiben, war ihr auch ein Rätsel. Daß er nicht so unsensibel war, ihr das zuzumuten, obwohl es ihr weh tat, wußte sie. Das alles ließ sich nicht auf einen Nenner bringen und ergab überhaupt keinen Sinn.
Allerdings war das auch damals so gewesen, als die Verlobung zerbrochen war.
Inzwischen war
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