Historical Weihnachtsband 1991
fest auf die Lippe beißen, um die Tränen zurückzuhalten. Tim hatte das so gelassen ausgesprochen. Obwohl Elizabeth selbst sich mit dem Tod ihres Mannes abgefunden hatte, machte die Bemerkung ihres Sohnes ihr zu schaffen.
„So ist es", brachte sie schließlich heraus und räusperte sich. „Aber ich gebe dir mein Wort, daß es dennoch ein wunderbares Weihnachtsfest werden wird. Nur wir beide ganz allein werden feiern."
Der Junge gähnte und lächelte zu ihr auf, bevor er meinte: „Natürlich. Und vergiß nicht, daß auch Sheba bei uns drinnen sein darf. Du hast gesagt, wenn es noch kälter wird, müssen wir unten beim Herd schlafen, und dann darf Sheba bei uns sein, genau wie die Schäfchen in der geschnitzten Krippe. Nur noch neun Tage ..."
Die Worte verloren sich in einem Murmeln, und Tim kuschelte sich behaglich in das Daunenkissen. Elizabeth zog die Decke bis an sein Kinn. Er liebte sein Schaf Sheba so sehr. Sie blies die Kerze aus und ging auf Zehenspitzen hinaus.
Das Licht des Vollmondes goß ein sanftes Silber über die frisch verschneite Landschaft, und selbst im Hause war es so hell, daß man sich gut zurechtfinden konnte. Zudem war Elizabeth jeder Schritt so vertraut, und die sanfte Dämmerung entsprach ihrer düsteren Stimmung. Seufzend hüllte sie sich enger in das warme Schultertuch und den Morgenrock, als sie über den schmalen Korridor zu ihrem Schlafzimmer eilte.
Dort kroch die Kälte durch die Ritzen des Fensters. Noch freilich hatte Elizabeth keine Lust, die Wärmepfanne ins Bett zu schieben und zurRuhe zu gehen. Es wäre auch unklug gewesen,
so spät noch ein Feuer zu schüren. Man mußte mit dem Brennholz sparsam umgehen. So hatte sie sich in den vergangenen Wochen ein Lager unten bereitet, um nicht nur die Wärme des erlöschenden Feuers im Herd zu nutzen, sondern bei Gefahr auch schneller zur Hand zu sein,
Siebzehn war Beth, wie ihre Verwandten sie immer genannt hatten, erst gewesen, als sie einen Freund ihres Vaters geheiratet hatte, den um zwanzig Jahre älteren William McGowan. So war sie zuerst von ihrem Vater, dann von ihrem Ehemann immer umsorgt und behütet worden. Das freilich hatte sie erst in letzter Zeit begriffen. Die acht Ehejahre vor dem Ausbruch des Krieges, in denen ein liebevoller Gatte sie verwöhnt und mit Dienstboten umgeben hatte, waren in ländlicher Stille und Zufriedenheit vergangen. William hätte nie gestattet, daß seine junge Frau sich die Hände schmutzig gemacht hätte. Alles auf der großen Farm war wie am Schnürchen gelaufen.
Dann hatte der Krieg erst William gefordert, dann einen Knecht nach dem anderen, und so hatte Beth lernen müssen, auf eigenen Füßen zu stehen und alles daranzusetzen, ihr Gehöft instand zu halten, unabhängig von fremder Hilfe und Unterstützung. Inzwischen war Beth McGowan siebenundzwanzig und hielt die Zügel fest in den Händen. Sie tat das ihr Mögliche, die Zukunft des kleinen Tim zu sichern, während ganz in der Nähe der schwere Unabhängigkeitskampf tobte.
Beth fühlte sich auf einmal ziemlich erschöpft, umklammerte den Pfosten des breiten Himmelbettes und lehnte die Wange gegen die verschlungenen Hände. Von draußen hörte sie, wie die Zweige an die Fensterscheiben schlugen, an die der Frost bizarre Muster gemalt hatte.
Sie blickte hinaus. Auf der anderen Seite des Hofes stand die geräumige Scheune und warf einen riesenhaften grauen Schatten auf den mondhellen Boden, Das Hühner haus war nun verwaist. Bis zum Fischteich und an die Straße von Berwyn nach Haverford erstreckten sich Felder mit fruchtbaren Obstbäumen und solche mit Wintergetreide.
Tiefe Stille herrschte, und weit drüben lag dunkel die Pembroke-Farm, auf der die nächsten Nachbarn lebten. Selbst wenn wenig Zeit blieb für freundschaftliche Besuche, hatten sich Beth McGowan und Charity Pembroke eng aneinander angeschlossen, nachdem die beiden Nachbarssöhne und die Farmarbeiter eingerückt waren.
Unten sank Beth dann auf den dicken Strohsack. Während ihrer Kindheit im Elternhaus und auch später hier auf der Farm hatte die Vorweihnachtszeit stets ein Zusammentreffen mit Freunden bedeutet, Wärme und Lachen, Heiterkeit und Geschenke. Bei dem Fest, das sich nun näherte, würde kaum jemand geneigt sein, liebevoll zu geben. Und die meisten Menschen hatten auch kaum etwas, das sie nicht selber brauchten. Der Krieg hatte nicht nur Leben gekostet, sondern auch vielen alles genommen, was sie besaßen.
Im September hatten die Briten Philadelphia
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