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Historical Weihnachtsband 1992

Historical Weihnachtsband 1992

Titel: Historical Weihnachtsband 1992 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ERIN YORKE , BRONWYN WILLIAMS , Maura Seger
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in Blairs Erinnerung. Um halb zehn Uhr morgens lag sie, gedemütigt und zornig, immer noch mit Kopfschmerzen im Bett. Sie hatte Mrs. Pearsons Drängen nachgegeben, in der Kutsche Seiner Lordschaft nach Haus zu fahren, weil das Unwetter noch nicht vorbei war. Aber der Aufruhr der Elemente war dem Sturm, der in Blair tobte, kaum zu vergleichen. Sie wußte, nicht der Erfolg, den sie bei Lord Haverbrook erzielt hatte, belastete sie, eher die Tatsache, daß sie in Lindsay Hall beinahe ihre moralischen Grundsätze vergessen hätte. Während der Heimfahrt und die ganze Nacht hatten sie widerstreitende Empfindungen gequält. War sie ein Feigling oder eine Närrin?
    Fürchtete sie sich nur, körperlichem Verlangen nachzugeben, oder war sie zu altmodisch in einer Welt, die sich jedes Vergnügen nahm, wann und wo es zu haben war, und sei es noch so flüchtig?
    Die Erkenntnis, daß sie fast Lord Lindsays Verführungskünsten erlegen war, nein, hatte erliegen wollen, beschämte sie so sehr, daß sie nicht wußte, woher sie den Mut nehmen sollte, wieder in die Öffentlichkeit zu gehen. Wie sollte sie den Pächtern und Dorfbewohnern ins Gesicht sehen? Ihr Vater hatte jahrelang jedem verlockenden englischen Angebot widerstanden und sich die Ehre bewahrt, während Blair bereit gewesen war, sie aufs Spiel zu setzen, weil Cameron ihr einen die Sinne betörenden Kuß gegeben hatte. Was war mit ihr geschehen, daß sie seine Zärtlichkeiten so genießen, die leidenschaftlichen Liebkosungen noch auf den Lippen und Brüsten fühlen konnte?
    „Madam, sind Sie wach?" rief Mrs. Brown im Korridor. In den letzten Jahren war Miss Duncan stets früh auf den Beinen gewesen, hatte in der Küche Feuer gemacht und das Teewasser aufgesetzt. Daß sie es heute unterließ, nachdem sie gestern abend wie ein geprügelter Hund in ihr Schlafzimmer geschlichen war, beunruhigte die Haushälterin sehr. Mit einem Lächeln, das unbefangen wirken sollte, betrat sie nach leisem Klopfen den Raum. Ihrem prüfenden Blick entgingen weder Miss Blairs geschwollene Lider noch die tränennassen Wangen. Sie setzte sich auf die Bettkante und reichte Blair eine Tasse heißen Tee. „Ich fürchte, seit gestern beunruhigt Sie nicht nur die Erkältung. Wollen Sie mir nicht erzählen, was Sie bedrückt?"
    „Nein. Es ist nur das ungewöhnliche Wetter, das mich stört, und daß ich die Körbe noch nicht fertig habe."
    „Und?" forschte die Wirtschafterin weiter. „Sie wissen, mit mir können Sie über alles reden."
    „Und die Engländer, die dauernd in unser Leben eingreifen, uns die Weihnachtsfreude schmälern und Sitten und Festtagsbräuche durcheinanderbringen. Jetzt haben sie sogar eine Belohnung für die Ergreifung des weihnachtlichen Wohltäters ausgesetzt, während man eigentlich sie verfolgen sollte", erwiderte Blair und dachte dabei ganz besonders an einen bestimmten Mann.
    „Ian Ferguson ist heute früh vorbeigekommen und hat Robbie anvertraut, daß der Unbekannte sogar heute nacht zugeschlagen hat. Angeblich hat er Rinder aus der Herde der Enrights mitgenommen und einige Schafe. In Lindsay Hall soll Wildbret fehlen. Ich habe nie begriffen, warum der Earl als Junggeselle solche Vorräte im Haus hat, weil er ja nur von Zeit zu Zeit hier ist."
    „Da die ihm gestohlenen Sachen sehr wahrscheinlich unseren Leuten zugute kommen werden, kümmert mich sein Schaden herzlich wenig. Hat eigentlich schon jemand etwas geschenkt bekommen?"
    „Sie, Madam, obwohl ich annehme, daß die Gaben der vergangenen Nacht nicht von dem geheimnisvollen Spender sind, eher von großzügigen Nachbarn, die einiges entbehren konnten", sagte Mrs. Brown und ging zur Tür.
    „Was hat man uns denn gebracht?" erkundigte Blair sich neugierig und schlug die Decke zurück. Die Pflicht durfte sie nicht vernachlässigen, ganz gleich, welche Probleme sie hatte.
    „Einen großen Sack Hafer, zwei Jagdmesser, drei Schinken und eine Menge Würste."
    „Dann wollen wir an die Arbeit gehen, Mrs. Brown", sagte Blair lächelnd. Sie erinnerte sich an die Bemerkung, die Lord Lindsay bei Lord Haverbrooks Gesellschaft gemacht hatte. Nichts würde Blair den trüben Tag mehr aufheitern als das Bewußtsein, daß der unfreiwillige Spender der Gaben, die sie jetzt aufteilen und in den Körben unterbringen würde, Cameron, Earl of Lindsay, war.

    Als Blair am Nachmittag ihr Werk begutachtete, erfreute sie der Anblick der Lebensmittel und nützlichen Dinge, die sich angesammelt hatten. Natürlich war der Bedarf größer als

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