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Historical Weihnachtsband 1992

Historical Weihnachtsband 1992

Titel: Historical Weihnachtsband 1992 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ERIN YORKE , BRONWYN WILLIAMS , Maura Seger
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verblüfft ihre Briefe, die sie Cameron vor mehr als zehn Jahren geschrieben hatte. Dem Jüngling waren sie keine Antwort wert gewesen, aber er hatte sie aufbewahrt, um sie als Mann nun wieder zu lesen! Nicht gesonnen, das Rätsel um Cameron zu lösen, schob Blair die Briefe beiseite und blätterte in den anderen Unterlagen.
    Sie hatte es ja gewußt. Sie fand eine Rechnung, ausgestellt von Miss Eloises Modesalon in der Regent Street. Offensichtlich hatte sie Cameron unrecht getan.
    Das grüne Seidenkleid war nicht für eine Miss Eloise bestimmt, sondern von ihr angefertigt worden. Wem aber gehörte es? Nach der Rechnung zu urteilen, hätte Cameron in London ein ganzes Heer von Damen ausstaffieren können, mindestens eine für jeden Tag der Woche, besser noch, für jede Nacht. Kein Wunder, daß er nun länger in den Highlands bleiben mußte! Wahrscheinlich tat ihm eine Ruhepause ebenso not wie seinem Geldbeutel. Aber wenn er sich leisten konnte, zu allen möglichen Frauen großzügig zu sein, konnte er ruhig mehr für Glenmuir tun. Genau das gedachte Blair ihm jetzt offen zu sagen.
    Schritte auf der Treppe schreckten sie auf. Hastig legte sie die Rechnung zurück und stieß dabei an etwas Rundes. Eine Taschenuhr! Beim näheren Hinschauen erschrak sie heftig. Lord Haverbrook war seine abhanden gekommen! Ohne sich etwas zu denken, steckte sie die Uhr in die Tasche des Kleides und drehte sich um. Vor ihr stand Cameron, Earl of Lindsay, mit sehr verschlafenem Ausdruck. „Mylord, Sie baten mich, bald vorbeizukommen. Es tut mir leid, daß es Ihnen zu früh ist." Blair konnte sich nicht vorstellen, wie sie es fertigbrachte, die Stimme ruhig klingen zu lassen. Die gestohlene Uhr brannte ihr in der Tasche. Konnte es sein, daß er der Räuber war? Vielleicht hatte Lord Haverbrook die Uhr hier nur vergessen?
    Natürlich konnte Blair Lord Lindsay nicht fragen. Eines stand jedenfalls fest. Er war über ihre Anwesenheit ebenso erfreut wie verwirrt.
    Fast unbeholfen machte er einen Schritt auf den Schreibtisch zu und wies auf die alten Briefe. „Miss Duncan", sagte er leise und streckte die Hand nach ihr aus. „Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen." Als sie zurückwich, fuhr er schnell fort: „Erstens für mein unverzeihliches Benehmen, vor allem aber dafür, daß ich Ihre Briefe niemals beantwortet habe. Bitte, glauben Sie mir, so sonderbar es auch klingen mag, ich habe sie erst gestern erhalten."
    „Ich bin hier, um die Spenden abzuholen, Mylord, und nicht, weil ich mit Ihnen über persönliche Angelegenheiten sprechen möchte, die längst nicht mehr von Bedeutung sind", erwiderte sie abweisend und trotzig. Er hatte sie nach Lindsay Hall gelockt, und sie würde nur mit größter Wachsamkeit ungeschoren davonkommen.
    Sie war entschlossen, sich keine Entschuldigungen anzuhören.
    „Selbstverständlich, Madam! Ich bin gern bereit, mich nach Ihren Wünschen zu richten", sagte er einlenkend, öffnete eine Schublade des Schreibtisches und nahm eine Schatulle heraus. „Ich dachte, es sei angebracht, ein Goldstück in jeden Korb zu legen. Damit hätten die Leute die Möglichkeit, sich etwas zu kaufen, was sie sich am meisten wünschen."
    „Die Menschen hier kennen die Sinnlosigkeit hochfliegender Wünsche. Ihr Leben wird von der Sorge um das Notwendigste bestimmt", entgegnete Blair scharf und war verblüfft, wie heftig sie auf das wunderbare Geschenk reagierte.
    „Sie sagen es. Genügen zwanzig Münzen?"
    „Dreißig wären besser." Es reizte Blair herauszufinden, wie weit Lord Lindsays schlechtes Gewissen reichte.
    „Bitte, Miss Duncan", sagte der Earl und gab ihr das Geld.
    „Und kaufen Sie etwas für sich."
    „Nein, danke! Meine Sorge gilt nur den Bedürftigsten. In ihrem Namen weiß ich Ihre Großzügigkeit zu schätzen. Ich hoffe, daß Sie dafür vor dem Zugriff des Diebes verschont bleiben."
    Das schwache Licht machte es unmöglich zu sehen, ob bei dieser Bemerkung dem Earl die Röte ins Gesicht stieg, und rasch verließ Blair Lindsay Hall. Ihre Vernunft und Gefühle lagen im Widerstreit. Dreißig Goldstücke! Einen solchen Schatz hatte in den vergangenen Jahren kein Schotte zu Gesicht bekommen, schon gar nicht besessen!
    Versuchte Cameron, die Gewissensbisse zu verdrängen, weil er Glenmuir im Stich gelassen hatte? Wollte er erneut Blairs Gunst gewinnen, nachdem sein erster Versuch mißlungen war? Welche andere Ursache konnte es für die unglaubliche Großzügigkeit noch geben? Vielleicht war er tatsächlich der Dieb?

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