Historical Weihnachtsband 1993
nicht so schwer wiederzuerlangen sein, sobald dieser Krieg zu Ende ging?
Rafe bemerkte Blythe und legte den Arm um sie, zog sie eng an sich. Das heißt, so eng das möglich war, denn Benji hing schon wieder an Rafes Bein. Hier fühlte er sich sichdich sicherer als anderswo. Die kleine Sülle, die eingetreten war, wurde von Benjis Stimme unterbrochen. „Wirst du nun unser Papa?"
Mit einem Grinsen, das sich schnell vertiefte, wandten etwa fünfzig Konföderierte und kaum weniger Yankees die Augen dem Paar zu.
„Werde ich das?" fragte Rafe und wartete gespannt, ja angstvoll auf Blythes Antwort. Sie hatte ihm zwar ihre Liebe von neuem gestanden, war allerdings seinem wiederholten Antrag bisher ausgewichen. Erst hatte Rafe angenommen, es könnte wegen Seth sein, aber vielleicht steckte etwas anderes dahinter? Vielleicht hatte er, Rafe, sich zu sehr verändert? Vielleicht... All seine Besorgnis schwand bei einem Blick in Blythes Augen, die strahlte, als sie flüsterte: „Oja!"
Captain Forester warf den Kopf zurück bei diesen Worten, ein Lächeln flog über das harte, sonst ausdruckslose Gesicht. „Wir haben einen Feldprediger unter uns, wenn Ihnen der Sinn danach steht, Weihnachten als Hochzeitstag zu nehmen."
Blythe schaute zu Rafe auf, jubelnde Zuversicht im Herzen, Sehnsucht und Liebe in den Zügen, und er brauchte keine weitere
Ermutigung von ihr.
„Danke", sagte er, nickte dem Captain zu und wandte sich an Seth. „Wirst du mein Trauzeuge sein?"
„Wer denn sonst?" antwortete Seth und zwinkerte dem Bruder zu. „Ich bin sehr froh, daß du das endlich begriffen hast."
Ein Lachen klang auf aus den Reihen der Soldaten und pflanzte sich von Mann zu Mann fort, während einer dem anderen die Worte wiederholte, die nicht jeder gehört hatte.
„Ich spiele leidlich gut Mundharmonika", meldete sich ein Yankee.
„Ich habe meine Gitarre dabei", bot sich einer in der anders farbigen Uniform an.
Blythe ließ den Blick über die wartenden Soldaten schweifen. In dieser Stunde fragten sie nicht danach, wessen Uniform sie trugen. Es war Weihnachtstag, für die meisten unter ihnen zugleich das erste Mal nach Monaten und vielleicht sogar Jahren, daß nicht der Tod, sondern das Leben in den Vordergrund trat. Das Leben: Geburt, Hochzeit, Liebe, Lachen, der Wunsch zu geben, statt zu nehmen. Alle verband sie eine gemeinsame, ganz besondere Hoffnung, undjeder kramte in den eigenen Erinnerungen, Erinnerungen an die Frau, an die Kinder, an frühere Weihnachtsfeste, und sah erstmals wieder die verheißungsvolle Vision künftiger Feste im Kreise der Familie. Blythe klopfte das Herz vor Freude und unbändigem Glauben an eine Zukunft, so daß ihr schien, die Umstehenden müßten es hören.
Morgen schon würden sie wieder Feinde sein, aber heute .. . Nun, heute ahnten sie vielleicht wie es nach dem Kriege sein könnte, sein würde.
Sie streckte die Hand nach Rafe aus und reichte Seth die andere, die er zärtlich ergriff. Dann beugte er sich näher zu ihr. „Du hast gesagt, zu Weihnachten geschähen noch Wunder." Er sah sich um. „Ich habe nicht daran geglaubt, daß es gleich so viel sein würden. Du hast wohl deine eigene Art, sie geschehen zu lassen."
Blythe strahlte und drückte seine Rechte, während sie sich auf die Zehenspitzen hob und Seth auf die Wange küßte. „Danke, Seth, danke für alles!"
Es war zwar keine Zeremonie, wie sie sich Blythe erträumt hatte, keine kirchliche Trauung, die sie mit den langjährigen Freunden feierten. Und doch war es viel, viel schöner.
Im hellen Sonnenlicht eines klaren Weihnachtstages hielten sie und Rafe einander an den Händen, fest und zuversichdich, schauten einander liebevoll in die Augen und lasen darin nur Verheißung, glückbringende, große Verheißung.
Der Feldprediger war Soldat, der nicht nur die Bibel, sondern auch das Gewehr zu halten verstand, und doch klang seine Stimme weich und ehrfürchtig, als er die Trauungsformel sprach. Obwohl die Worte allbekannt waren, dachte Blythe, daß sie diesmal ganz anders klangen, weil sie eine viel kostbarere persönliche Bedeutung hatten.
„Wir haben uns hier versammelt..."
Für einen Moment löste Blythe den Blick aus dem Rafes und sah von Mann zu Mann.
Manche hatten Tränen in den Augen, und im Hintergrund spielte einer ganz leise die Gitarre. Es war ein Liebeslied. Sie gehörten in dieser Stunde alle zusammen.
Soldaten hatten für einmal den Krieg außer acht gelassen und freuten sich mit dem Brautpaar. In allem lag eine
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