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Historical Weihnachtsband 1993

Historical Weihnachtsband 1993

Titel: Historical Weihnachtsband 1993 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PATRICIA POTTER , Nora Roberts , RUTH LANGAN
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verkleidet, drängten sich auf den Schiffen „Dartmouth", „Eleanor" und
    „Beaver". Es waren einfache Leute gewesen, erinnerte er sich, Händler, Handwerker und Studenten. Einige feuerte der Alkohol an, andere leitete ihre eigene Rechtschaffenheit. Sie hievten die Kisten mit Tee aus England hoch und zertrümmerten sie, warfen alles ins Meer aus Protest gegen den König, der seinen Untertanen in den amerikanischen Kolonien zu hohe Zölle und Abgaben für das Lebensnotwendige abverlangte. Welche Befriedigung hatte es ihnen bereitet, die zerbrochenen Holzbretter in das kalte Wasser des Bostoner Hafens klatschen zu hören! Die leeren Kisten türmten sich inmitten des Unrats zu wahren Bergen auf, als die Ebbe eintrat.
    Das mag einen reichlich starken Tee für die Fische gegeben haben, dachte er nun. Ja, alle Beteiligten waren so ausgelassen gewesen und dabei doch so zielbewußt, so entschlossen und einig. Alle diese Eigenschaften würden sie brauchen, um zu kämpfen und
    diesen Krieg zu gewinnen, von dem viele noch nicht einmal begriffen, daß er bereits begonnen hatte.
    Wieviel Zeit war wohl seit jenem ereignisreichen Abend vergangen? Ein Tag, zwei Tage? MacGregor war unglücklicherweise mit zwei betrunkenen und reizbaren Rotröcken aneinandergeraten, als gerade der Morgen heraufdämmerte. Natürlich kannten sie ihn. Sein Gesicht, sein Name und seine politische Einstellung waren in Boston bekannt genug. Und er hatte seinerseits nichts dazu getan, sich bei den britischen Truppen beliebt zu machen. Vielleicht hatten die beiden Männer ihn auch bloß anrempeln und ein wenig einschüchtern wollen und gar nicht die Absicht gehabt, ihre Drohung wahrzumachen und ihn festzunehmen. Der Grund dafür war ihm ohnehin nicht klar geworden. Als jedoch der eine den Degen zog, griff auch MacGregor zur Waffe.
    Der Kampf war nur kurz gewesen, und obwohl sein Gegner sofort zu Boden sank, wußte MacGregor nicht, ob er den ungestümen Soldaten getötet oder bloß verwundet hatte. Jedenfalls hatte dann der Kamerad mit Mordlust im Blick seine Muskete auf MacGregor angelegt. Obwohl er blitzschnell im Sattel gesessen und die Stute angetrieben hatte, war ihm die Kugel in die Schulter gedrungen.
    Wieder fühlte er schmerzhaft das Geschoß in der Wunde. Obwohl sein Körper durch die Kälte ziemlich schmerzunempfindlich geworden war, quälte ihn die glühend heiße Stelle am Arm. Plötzlich schwanden seine Sinne, und dann er spürte nichts mehr.
    Später war es wieder der Schmerz, der MacGregor zu sich brachte. Er lag ausgestreckt auf dem Rücken im Schnee und sah verschwommen das Niederwirbeln der weißen Flocken vor dem Hintergrund des düstergrauen Himmels. Noch schien er lebendig genug, Betroffenheit darüber zu empfinden, daß er vom Pferd gestürzt war. Mit großer Anstrengung gelang es ihm, sich auf die Knie aufzurichten. Geduldig wartete die Stute neben ihm und beäugte ihn mit einem Ausdruck sanfter Verwunderung.
    „Ich verlasse mich darauf, daß du diesen kleinen Zwischenfall für dich behältst, altes Mädchen." Der befremdliche Klang der eigenen Stimme ließ erstmals etwas wie Angst in ihm aufkeimen. Er biß knirschend die Zähne zusammen, griff nach den Zügeln und kam wankend auf die Beine. „Nun heißt es, schnell irgendwo Unterschlupf zu finden." Er taumelte und begriff, daß er aus eigener Kraft nicht mehr aufsteigen konnte. So klammerte er sich fest, drückte sich gegen das Pferd und ließ sich todmüde weiterziehen.
    Schritt für Schritt kämpfte er gegen das Verlangen, sich einfach fallenzulassen und es der Kälte zu überlassen, ein übriges zu tun. Man sagte ja, Tod durch Erfrieren käme fast schmerzlos, fast wie der Schlaf, kühl und ohne Qual. Aber wie konnte einer das wissen, noch nie war ein Toter ins Leben zurückgekehrt! Der Gedanke machte MacGregor lachen, doch das Lachen wurde zu einem Husten, der ihn noch mehr schwächte.
    Er hatte jeglichen Sinn für Zeit, Entfernung oder Richtung verloren. Um sich wachzuhalten, versuchte er krampfhaft, an seine Familie zu denken, an die Liebe der Eltern und Geschwister. Daheim im geliebten Schottland setzten sie alles daran, sich die Hoffnung zu bewahren. Seine Onkel, Tanten, die Vettern und Basen in Virginia taten ihrerseits alles, sich das Recht auf ein neues Leben in dem fremden Lande zu erhalten. Und er selbst stand irgendwo dazwischen, hin und her gerissen zwischen der Liebe zum Althergebrachten und der Begeisterung für das Neue. Hier wie dort hatten sie alle nur einen

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