Historical Weihnachtsband 1993
Erwartung geschrieben stand. Zu lange schon hatten sie ihre Familien nicht mehr gesehen, die Wärme ihrer Heimstätten entbehren müssen. Gemeinsam sehnten sie sich danach, etwas wie Weihnachtsstimmung zu erleben, und in jedem erwachte eine scheue Hoffnung, diesmal könnte das Fest nicht wie die anderen sein, nicht so mörderisch, nicht so einsam.
Der Colonel wandte sich an Captain Forester. „Würde es Ihnen und Ihren Leuten etwas ausmachen, mit uns und diesen Kindern da unser Weihnachtsessen zu teilen?
Wir haben nicht viel anzubieten, gerade nur, was wir in den Satteltaschen mitnehmen konnten. Aber es ist immerhin Schinken, dazu gebratene Kartoffeln und schwarzer Kaffee."
Forester verbeugte sich. „Wir wären sehr ..." Er verstummte, brachte das Wort
„erfreut" einfach nicht über die Lippen. Man hatte zu oft bis aufs Messer gegeneinander gekämpft, zu viel stand trennend zwischen Yankees und Südstaadern. „Was zum Teufel wären wir denn?" wandte er sich bestürzt an Seth.
„Dankbar", soufflierte Seth, „sehr, sehr dankbar."
„Na gut", stimmte Forester zu, „das wären wir also." Er schien immer noch völlig perplex.
Die Yankees hatten inzwischen schon in ihren Satteltaschen nach Süßigkeiten gesucht und reichten sie jetzt den Kindern hin, die nur nach und nach die Scheu ablegten. Erst schauten sie zu Blythe. Doch sobald sie ihnen ermunternd zunickte, griffen sie hastig danach.
„Madam?" Einer von Mosbys Leuten war zu Blythe getreten, die immer noch den Arm schützend um Maria gelegt hatte. Sie hob
den Kopf, und die Augen glitzerten schon wieder verdächtig feucht.
Ja, was ist?"
Der Mann scharrte verlegen mit den Füßen und lächelte schüchtern. „Dürfte ich vielleicht mal schnell das Baby angucken, Madam? Es ist schon so lange ..., und ..., nun . .., meine Frau, müssen Sie wissen, hat auch erst vor kurzem eins bekommen und ich ..., ich hab's überhaupt noch nicht gesehen."
Blythe schaute auf Maria nieder, deren Hände zwar noch zitterten, während das Entsetzen der ersten Minuten langsam abklang. „Maria?" fragte Blythe behutsam.
Die junge Mutter las das Verlangen, die fast verzweifelte Sehnsucht in den Zügen des Mannes und hob ihm langsam, immer noch auf der Hut, das Kind entgegen.
„Ist er nicht der hübscheste kleine Kerl", rief der Soldat andächtig aus, doch Maria verbesserte ihn mit überraschend sicherer Stimme. „Sie, nicht er, sie."
„Ist sie nicht die schönste kleine Lady", stellte er seinen Irrtum richtig. Schon drängten sich andere Soldaten herzu, wollten einer nach dem anderen das Neugeborene bewundern, ohne zu beachten, welche Farbe die Uniform der zunächst Stehende trug.
„Ist aber mächtig klein", sagte ein Mann, dessen weiche Stimme überhaupt nicht zu dem harten Ausdruck der Augen und einer verschorften Narbe auf der Wange zu passen schien.
„Es ist erst heute morgen auf die Welt gekommen", erklärte Maria ruhig und straffte stolz die Schultern.
„Dann sollten Sie aber noch nicht auf sein, Madam", mahnte ein Soldat und sah fragend zu Blythe hinüber. „Darf ich Sie hineinführen?"
Blythe bemerkte, wie von neuem Angst in Marias Augen flackerte. „Ich komme mit", sagte Blythe, und Maria atmete erleichtert auf. Das Gesicht des Mannes strahlte nichts als Wohlwollen aus. So nahm Blythe das Kleine, und er geleitete Maria fürsorglich die wenigen Stufen zur Veranda hinauf. Dort blieb er stehen, und Blythe brachte Maria ins Haus.
Oben steckte Blythe die Wöchnerin ins Bett und legte die Decke um ihre Schultern, während das Baby schon gierig zu saugen begann.
„Ich verstehe nicht", sagte Maria zögernd. „Sie waren alle so zornig und dann ..."
„Wir haben Weihnachten, Maria, da geschehen noch Wunder. Schau nur dein kleines Mädchen an."
Maria nickte, sich dich befriedigt. „Warum kann nicht alle Tage Weihnachten sein?"
Blythe nickte ihr zu, ihr brannten plötzlich Tränen in den Augen, und das Atmen fiel ihr schwer. So wandte sie sich schnell um und ging hinunter, wieder hinaus vor das Haus. Die beiden Brüder standen beieinander, lächelten erfreut und stellten einander ihre Leute vor.
Natürlich hatten die Soldaten oft von Brüdern reden hören die der Krieg auseinandergerissen hatte, aber keinem war bisher einer davon begegnet.
Irgendwie fand man es tröstlich und aufmunternd, daß diese beiden trotz allem noch eine starke Bindung zueinander empfanden und füreinander mit dem Leben einzustehen bereit schienen. Vielleicht würde der Friede gar
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