Historical Weihnachtsband 1993
meine Hand und erzählten mir, ich sei schön."
„Dafür sollte ich wohl ausgepeitscht werden", spöttelte er, „man stelle sich vor: zu behaupten, Sie seien schön!"
„Die Peitsche wäre noch zu schade für Ihresgleichen", entgegnete Alanna und warf den Kopf zurück. „Und vor zwei Tagen gar, als ich Ihnen gerade das Frühstück machte, was übrigens mehr ist, als einer wie Sie überhaupt verdient..."
„Sie haben ja so recht", pflichtete er ihr bei.
„Halten Sie doch den Mund, bis ich zu Ende geredet habe! Nachdem ich also Ihr Frühstück bereitet hatte, zogen Sie mich auf Ihre Knie, als ob ich irgendeine ganz gemeine ..."
„Fehlen Ihnen die richtigen Worte?"
„Dirne", stieß Alanna hervor, was ihn noch mehr zum Lachen reizte. „Und dann hatten Sie auch noch die Stirn, mich gegen meinen Willen festzuhalten und zu küssen."
„Sie haben allerdings meinen Kuß durchaus erwidert, Liebste." Ian streichelte den Hals des Pferdes. „Ganz beachtlich sogar."
Sichtlich gekränkt, stammelte sie: „Wie können Sie es wagen?"
„Das ist eine schwierige Frage, wenn Sie sich nicht etwas genauer ausdrücken. Falls Sie meinen, wie ich es wagen konnte, Sie zu küssen, muß ich allerdings zugeben, daß ich mich einfach nicht zurückhalten konnte. Ihr Mund ist nun einmal zum Küssen geschaffen, Alanna."
Sie spürte, wie ihr heiß wurde, und nahm ihre unstete Wanderung mit wankenden Knien wieder auf. „Nun, Sie haben es schnell genug wieder gelassen."
Ian blickte erstaunt auf. Sie zürnte ihm nicht etwa, weil er sie geküßt, sondern weil er sie so rasch freigegeben hatte! Wenn er sie
nun so im Dämmerlicht des Stalles anschaute, begriff er ohnehin nicht, wie er das fertiggebracht hatte, und wußte zugleich, daß er es kein zweites Mal tun würde.
„Meine Zurückhaltung nach dem einen Kuß hat Sie verärgert, Liebste? Dann ..."
„Nennen Sie mich nicht andauernd .Liebste', heute nicht und überhaupt niemals!"
Mühsam verbiß er sich das Lachen. „Ganz wie Sie wünschen, Mrs. Flynn. Nun, wie ich gerade sagte ..."
„Ich habe Ihnen jedenfalls gesagt, Sie sollen den Mund halten, bis ich zu Ende geredet habe." Alanna stockte, um wieder zu Atem zu kommen. „Wo war ich stehengeblieben?"
„Wir sprachen vom Küssen." Mit aufflackerndem Begehren in den Augen trat Ian einen Schritt näher. „Warum frischen wir die Erinnerung nicht auf?"
„Kommen Sie mir ja nicht nahe", warnte sie und griff nach einer Heugabel. „Ich habe es nur als Beispiel genommen für alle Schwierigkeiten, die Sie verursacht haben.
Und zu guter Letzt, um allem die Krone aufzusetzen, wecken sie auch noch Brians helle Begeisterung für einen Aufstand! Und das lasse ich einfach nicht zu, MacGregor, Brian ist noch ein halbes Kind."
„Wenn mich der Junge etwas fragt, soll er eine wahrheitsgetreue Antwort haben."
„Die noch dazu möglichst romantisch und heroisch angehaucht ist! Ich denke nicht daran, Brian in einen Krieg ziehen zu lassen, den andere vom Zaun gebrochen haben, und ihn womöglich zu verlieren, wie ich meinen Bruder Rory verloren habe."
„Es handelt sich aber nicht um einen Krieg, der uns nichts angeht, Alanna." Ian ging vorsichtig um sie herum und hielt sich außerhalb der Reichweite ihrer Heugabel.
„Wenn es an der Zeit ist, wird es unser aller Krieg sein, und wir werden ihn auch gewinnen."
„Ach, sparen Sie sich doch Ihre Worte!"
„Gut." Blitzschnell hatte er Alanna die Heugabel entrissen und die Widerstrebende an sich gezogen. „Ich bin der Worte auch müde."
Obwohl er diesmal darauf gefaßt war, sie zu küssen, schien es ihm nicht weniger überwältigend oder aufregend als das erste Mal. Ihr Gesicht fühlte sich kühl an, und er suchte es mit den Lippen zu erwärmen. Immer wieder bedeckte er Mund, Wangen und Stirn mit kleinen Küssen, so unendlich liebevoll. Mit einer Hand strich Ian Alanna durchs Haar, bis er ihren Nacken umfaßte, mit der anderen preßte er sie hart an sich. „Um alles in der Welt, küß mich, Alanna", murmelte er dicht über ihrem Munde. In seinen Augen brannte die gleiche Glut wie in den ihren. „Wenn du es nicht gleich tust, verliere ich noch den Verstand, und wenn du es tust, wahrscheinlich auch."
Beinahe hätte sie ihn in die Knie gezwungen. Es gab kein Zögern mehr, keine Zurückhaltung. Mit verlangenden Lippen und suchenden Zungen drängten sie sich aneinander, und Alannas Widerstand schmolz dahin, als sie sein Herz an dem ihren stürmisch schlagen fühlte. Nie würde sie den Duft
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