Historical Weihnachtsband 1993
des Heus, den Geruch der Pferde vergessen, die schwirrenden Staubkörnchen in den schmalen Sonnenstreifen, die durch winzige Fugen im Gebälk drangen. Und ebensowenig die Geborgenheit in Ians Nähe, seinen Körper an ihrem, seine fordernden Lippen. Diesen einen Augenblick der Hingabe wollte Alanna für immer in Erinnerung bewahren, weil er nur allzu schnell vorübergehen würde.
„Laß mich los!" flüsterte sie schließlich.
Ian drückte sein Gesicht an Alannas weichen Hals. „Ich zweifle, ob ich dazu imstande bin."
„Es muß sein. Ich bin nicht dazu hierher gekommen."
Er küßte ihr Ohr und lächelte, als sie zitterte. „Hättest du mich wirklich aufgespießt, Alanna?"
"Ja."
Wieder lächelte er, denn er glaubte ihr. „Welch eine Frau", murmelte er und liebkoste mit seiner Zunge ihr Ohrläppchen.
„Laß das!" Trotzdem lehnte sie den Kopf hingebungsvoll zurück. Komme, was wolle, es sollte immer so weitergehen, immer und immer weiter. „Es ist nicht in Ordnung, was wir tun."
Er schaute sie an, das Lächeln schwand aus seinen Zügen. „Doch. Ich weiß zwar nicht, warum und wie, aber ich bin überzeugt, daß es ganz in Ordnung ist."
Gerade weil sich Alanna so sehr danach sehnte, sich an ihn zu schmiegen, machte sie sich plötzlich frei. „Es geht einfach nicht. Du hast deinen Krieg, und ich habe meine Familie. Ich denke nicht daran, mein Herz einem Mann zu schenken, der nur Schlachten im Sinn hat. Das ist mein letztes Wort."
„Zum Teufel, Alanna..."
„Aber ich möchte dich um etwas bitten." Hastig befreite sie sich aus seinen Armen.
Nur noch einen Augenblick länger hätte Alanna an Ians Brust liegen müssen, um alles andere zu vergessen, die Familie und all die geheimen Hoffnungen auf eine friedliche Zukunft. „Betrachte es als dein Christgeschenk für mich."
Er fragte sich im stillen, ob sie wohl wußte, daß er ihr in diesem Moment alles gegeben hätte, sogar sein Leben.
„Und was möchtest du haben?"
„Bleibe, bis Weihnachten vorüber ist. Es ist so wichtig für Brian. Und", fuhr sie fort, bevor er sie unterbrechen konnte, „sprich nicht von Krieg und Aufstand, ehe der Heilige Abend zu Ende ist."
„Du verlangst sehr wenig."
„Für mich bedeutet es aber sehr viel."
„Dann sollst du es auch haben." Obwohl Alanna einen Schritt zurückwich, ergriff er ihre Hand, hob sie an die Lippen und küßte sie.
„Danke." Schnell entzog sie ihm die Hand und verbarg sie hinter dem Rücken. „Ich habe noch allerlei zu erledigen." Seine Stimme ließ Alanna innehalten, als sie schon zur Tür eilte.
"Alanna, glaube mir, es ist in Ordnung!"
Sie stülpte die Kapuze über den Kopf und hastete hinaus.
5. KAPITEL
Zu Alannas Entzücken begann es am Heiligen Abend zu schneien. Im tiefsten Herzen hoffte sie sogar, das schlechte Wetter möge mehrere Tage andauern und Ian daran hindern, seine Reise anzutreten, die er für den Stefanstag plante. Gewiß war dieser Wunsch selbstsüchtig und töricht, und doch mußte sie immerzu daran denken, als sie in Kopftuch und Umhang in den Stall ging, um die Kühe zu melken. Wenn Ian blieb, würde sie sich elend fühlen. Ging er aber, so bräche ihr wohl das Herz. Sie gestattete sich einen leisen Seufzer, während sie in die wirbelnden weißen Flocken schaute. Am besten dachte sie jetzt überhaupt nicht an ihn, sondern nur an ihre häuslichen Pflichten.
Alannas Schritte waren das einzige Geräusch im Vorhof; ihre Stiefel knirschten auf der verharschten Kruste unter dem frischgefallenen Schnee. Dann knarrte das Tor, als sie den Riegel zurückschob und eintrat. Drinnen griff sie nach dem Eimer und machte den ersten Schritt, als sich ihr eine Hand auf die Schulter legte. Mit einem leisen Aufschrei fuhr Alanna herum, der Eimer fiel zu Boden.
„Vergebung, Mrs. Flynn." Ian MacGregor lachte, als sie mit beiden Händen nach ihrem Herzen faßte. „Ich wollte Sie nicht erschrecken."
Wenn die Überraschung sie nicht so sprachlos gemacht hätte, wäre wohl eine Flut von Verwünschungen auf ihn niedergeprasselt. So aber schüttelte sie nur den Kopf und atmete tief.
„Was suchen Sie überhaupt hier? Warum schleichen Sie heimlich herum?"
„Ich bin gerade erst nach Ihnen aus dem Haus gekommen", erklärte Ian. Er hatte die ganze Nacht über nachgedacht und war zu dem Entschluß gelangt, Geduld mit Alanna zu haben. „Wahrscheinlich haben sie meine Schritte wegen des Schnees nicht gehört."
Sie wußte genau, daß es ihre Tagträume waren, die verhindert hatten, daß sie ihn
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