Historical Weihnachtsband 1993
er den Blick von Alanna ab und schaute seine Tante zornig an. „Das hast du sehr klug angestellt, Tante Serena, nicht wahr?"
„Gewiß", sagte sie selbstzufrieden. „Das weiß ich."
Ian war ärgerlich und aufgewühlt von dem plötzlichen Wiedersehen. „Nun, Mrs.
Flynn, da Sie einmal hier sind, bleibt mir wohl nichts übrig, als Sie auf Glenroe willkommen zu heißen."
„Danke." Gleich würde sie in Tränen ausbrechen und sich schrecklich blamieren.
„Entschuldigen Sie mich, bitte!" Indem sie einen weiten Bogen um Ian MacGregor machte, stürzte sie hinaus.
„Wie überaus liebenswürdig, Ian!" Lady Serena warf den Kopf zurück und folgte ihrem Gast.
Alanna war in ihrem Schlafzimmer gerade dabei, die Kleider aus dem Schrank zu zerren, als Serena Langston dazukam.
„Nanu, was soll denn das heißen?"
„Ich muß weg. Ich konnte nicht wissen . . ., Lady Langston, ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft, aber ich muß sofort nach Hause zurück."
„Hat einer schon solchen Unsinn gehört?" Lady Serena umfaßte sehr energisch Alannas Schultern und führte sie zum Bett. „Nun setzen Sie sich erst einmal und atmen Sie tief durch! Natürlich war es eine Überraschung, Ian wiederzusehen, doch .
. ." Sie verstummte, als Alanna das Gesicht in den Händen barg und in Tränen ausbrach.
"Aber, meine Liebe." Mütterlich nahm sie die Weinende in die Arme und wiegte sie sanft hin und her. „War er denn gar so unausstehlich? Männer sind nun einmal so, müssen Sie wissen, und deshalb müssen wir eben noch viel unausstehlicher sein, wenn es darauf ankommt."
„Nein, nein, es war einzig und allein meine Schuld, ich habe alles verdorben."
Obwohl Alanna sich schämte, konnte sie nicht aufhören zu schluchzen und legte den Kopf an Serenas Schulter.
„Selbst wenn es so gewesen wäre, was ich nicht annehme, sollte man das als Frau niemals zugeben. Da Männer uns an Körperkraft überlegen sind, müssen wir unseren besseren Verstand nutzen." Sie lächelte und strich Alanna übers Haar. „Ich wollte bloß wissen, ob Sie ihn wohl ebenso lieben wie er Sie. Und jetzt weiß ich es."
„Nun haßt er mich, und wer könnte ihm dafür einen Vorwurf machen?
Wahrscheinlich ist es dennoch so am besten", stieß Alanna unter Tränen hervor.
„Am allerbesten."
„Er macht Ihnen angst?"
"Ja, ich glaube wohl."
„Und Ihre Empfindungen für ihn erschrecken Sie auch?"
„O ja. Ich wollte sie nicht, Mylady, ich kann sie nicht brauchen, denn er wird sich niemals ändern. Er wird nicht ruhen, bis er endlich fallen oder wegen Hochverrates gehenkt werden wird."
„Einen MacGregor bringt man nicht so leicht um. Nun beruhigen Sie sich doch, haben Sie vielleicht ein Taschentuch? Ich kann das meine nie finden, wenn ich es einmal brauche."
Alanna schluchzte ein wenig und zog eines hervor. „Es tut mir so leid, Mylady, bitte, verzeihen Sie mir, daß ich eine solche Szene gemacht habe."
„Ich habe eine Schwäche für Szenen und mache sie selber, sooft es nur irgend möglich ist." Sie wartete noch eine Weile, damit sich Alanna fassen konnte, und fuhr dann fort: „Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen von einem jungen Mädchen, das sich eine ganz unmögliche Liebe leistete. Es liebte nämlich einen Mann, der überhaupt nicht der richtige für sie zu sein schien, und das noch dazu während einer Zeit, in der es nur Krieg und Aufruhr und Tod um sie herum gab. Wieder und wieder wies sie also den Antrag dieses Mannes ab, weil sie glaubte, es wäre so am besten."
Mit einem Aufseufzen trocknete sich Alanna die Tränen. „Und was ist aus diesen beiden Menschen geworden?"
„Nun, da er den gleichen Dickkopf besaß wie sie, haben sie geheiratet und sechs Kinder bekommen, inzwischen auch zwei Enkel." Ein strahlendes Lächeln überzog Serenas Gesicht. „Und ich habe keinen einzigen Augenblick unseres gemeinsamen Lebens bisher bereut."
„Das ist auch etwas anderes."
„Liebe bleibt sich immer gleich und ist doch immer anders." Serena strich Alanna das Haar aus der Stirn. „Auch ich hatte um meinen Gatten Angst."
"Sie?"
„O ja. Je mehr ich Brigham liebte, um so mehr erschreckte mich alles, und um so grausamer bestrafte ich uns beide, indem ich meine Empfindungen leugnete und unterdrückte. Wollen Sie mir nicht von Ihrer Liebe erzählen, Alanna? Manchmal hilft es schon, wenn man von Frau zu Frau über die Dinge reden kann."
Vielleicht stimmt das wirklich, dachte Alanna. Jedenfalls konnte es nicht noch mehr schmerzen, als es bereits
Weitere Kostenlose Bücher