Historical Weihnachtsband 1993
habe kein Reitkleid."
„Darum wird sich Hattie kümmern. Es hängt noch eines von Amanda in meinem Schrank, das müßte Ihnen passen."
„Nochmals vielen Dank." Alanna verstummte, kam zurück und umarmte und küßte Serena. „Vielen, vielen Dank."
Keine halbe Stunde später saß Alanna auf dem Rücken der Stute.
Ian hatte tatsächlich eine Angelrute im Wasser, doch die war eher als Ausrede zu werten dafür, daß er einfach dasaß und brütenden Gedanken nachhing. Er hätte seine Tante wegen ihrer Einmischung eigenhändig erwürgen können. Dazu war sie schon bald in seinem Zimmer erschienen und hatte ihm so gründlich die Leviten gelesen, daß ihm nichts mehr übriggeblieben war, als sich zu verteidigen, so gut es ging.
Natürlich war er äußerst ungezogen zu ihrem Gast gewesen, absichtlich sogar. Hätte es nicht nach einer Flucht ausgesehen, wäre er nur zu gern aufs Pferd gesprungen und Hals über Kopf nach Boston zurückgeritten. Doch nein, diesmal würde es nicht er sein, der ging. Diesmal sollte Alanna abreisen, und zum Teufel mit ihr!
Wenn sie doch nicht so unverschämt hübsch gewesen wäre in ihrem blauen Kleid, als sie so dastand, gerahmt vom Licht der Sonne, die hinter ihr durch das Fenster schien. Aber was kümmerte es ihn eigentlich, wie Alanna aussah? Es schien ihm ganz klar, daß er nichts mehr mit ihr zu schaffen haben wollte. Er konnte keine derart widerspenstige Frau in seinem Leben brauchen, dazu hatte er keine Lust. Die Demütigung saß tief. Gerade, daß er sie nicht auf den Knien angefleht hatte, ihn zu heiraten! Ian fühlte sich in seinem Stolz sehr verletzt. Und dieses schamlose Geschöpf hatte mit ihm im Heu gelegen, sich ihm hingegeben und ihn glauben lassen, sie liebe ihn. Wie behutsam, wie zärtlich er sie behandelt hatte! Niemals zuvor war es einer Frau gelungen, seine Leidenschaft so zu erregen. Ihn danach kaltlächelnd wegzuschicken! Nun konnte er ihr nur noch wünschen, daß sie einen willenlosen Schwächling als Gatten finden sollte, der keine eigene Meinung besaß und den sie herumkommandieren konnte! Und sobald es ihm, Ian MacGregor, zu Ohren käme, daß sie dies zustande gebracht hätte, würde er mit Vergnügen den Kerl eigenhändig umbringen!
Er hörte ein Pferd näherkommen und stieß eine Verwünschung aus. Wenn diese beiden kleinen Widerlinge ihm auf die Spur gekommen waren und nun seine Einsamkeit störten, würde er ihnen
schleunigst auf die Sprünge helfen. Er nahm die Angelrute zur Hand, stand auf und stellte sich breitbeinig in Positur, um seine Neffen hart anzusprechen und ins Herrenhaus zurückzuscheuchen.
Allerdings waren es nicht die Erwarteten. Alanna erschien auf Lady Serenas Fuchsstute unter den Bäumen am Waldrand und kam schnell näher, etwas zu schnell für Ians Seelenfrieden. Unter dem modischen Reithut, den sie trug, hatte sich das Haar gelöst und flatterte jetzt hinter ihr im Wind. Nur wenige Schritte vor Ian brachte Alanna das Pferd zum Stehen. Wie blau und strahlend ihre Augen leuchteten! Die Stute, an eine waghalsige Reiterin gewöhnt, benahm sich mustergültig und gehorchte sofort.
Ian MacGregor warf Alanna einen vernichtenden Blick zu. „Nun ist es dir auch noch gelungen, im Umkreis von zehn Meilen alle Fische zu verscheuchen. Fällt dir nichts Besseres ein, als so verrückt durch die Gegend zu galoppieren?"
Eine solche Begrüßung hatte Alanna nicht erwartet. „Das Pferd ist mit der Umgebung vertraut." Sie blieb im Sattel und dachte, daß er sie herunterheben würde. Als er keinerlei Anstalten dazu machte, sah ihn Alanna böse an und sprang aus dem Damensattel vom Rücken der Stute. „Sie haben sich nicht im geringsten verändert, MacGregor, und Ihre Manieren sind auch nicht gerade besser geworden."
„Bist du nur deshalb hierher nach Virginia gekommen, um mir das zu sagen?"
Alanna halfterte das Tier an einen Baum, der ganz in der Nähe stand, und wirbelte zu Ian herum. „Ich bin einer liebenswürdigen Einladung Ihrer Tante gefolgt. Leider habe ich nicht gewußt, daß Sie sich auf Glenroe aufhalten, sonst hätte ich mir das allerdings überlegt. Das Wiedersehen mit Ihnen hat mir die ganze schöne Reise verdorben. Und ich kann mir, ehrlich gestanden, nicht vorstellen, was ein Mensch wie Sie in einer so reizenden Familie zu suchen hat. Ich wünschte aus ganzem Herzen . . ."Sie brach mitten im Satz ab, und bemühte sich, daran zu denken, was sie sich die ganze Nacht lang vorgenommen hatte."Aber ich bin nicht hier, um mit Ihnen zu
Weitere Kostenlose Bücher