Historical Weihnachtsband 1993
tat. „Mein ältester Bruder fiel im Krieg gegen die Franzosen. Ich war damals zwar noch ein Kind, aber ich kann mich trotzdem ganz genau an Rory erinnern. Er war so klug und sah so gut aus. Wie Ian hatte er nichts anderes im Sinn als die Verteidigung und den Kampf für sein Land, für seine Ideale.
Und dafür mußte er dann auch sein junges Leben hingeben. Innerhalb eines Jahres folgte ihm meine Mutter, sein Tod hatte ihr das Herz gebrochen. Sie hat ihn nie verwinden können. Ich mußte mitansehen, wie mein Vater Jahr um Jahr um die beiden trauerte."
„Es gibt kein tieferes Leid als den Verlust der Menschen, die wir lieben. Mein Vater fiel vor achtundzwanzig Jahren in einer Schlacht, und heute noch sehe ich sein Gesicht deutlich vor mir. Wenig später ließ ich auch meine Mutter in Schottland zurück. Sie ging im gleichen Jahre heim, in dem Amanda geboren wurde, und lebt immer in meinem Herzen weiter." Serena nahm Alannas Hände in die ihren, und auch ihre Augen wurden feucht. Als der Aufstand niedergeschlagen worden war, brachte mein Bruder Coll mir Brigham heim. Er war angeschossen worden und dem Tode nahe. Damals ging ich mit unserem ersten Kinde schwanger. In einer Höhle mußten wir uns vor den Engländern verstecken, weil auch Brigham ein Anhänger der Stuarts war. Tagelang schwebte er zwischen Leben und Sterben."
Es stimmte also, was Ian dem jungen Brian erzählt hatte. Nachdenklich sah Alanna die kleine, schlanke Frau neben sich an. „Wie haben Sie das alles ertragen können?"
„Wie hätte ich es nicht ertragen sollen?" Lady Serena lächelte. „Brigham sagt mir oft, nur mein Wille hätte ihn damals am Leben erhalten, bloß, damit ich ihn später drangsalieren konnte. Vielleicht hat er sogar recht. Ich weiß daher nur zu gut, was Angst ist,
Alanna. Und wenn es hier zum Aufstand kommen sollte, werden meine älteren Söhne in den Krieg ziehen, und ich bin so unglücklich, wenn ich daran denke, daß ich sie verlieren könnte. Trotzdem, wäre ich ein Mann, würde auch ich den Degen ziehen und mich ihnen anschließen."
„Sie sind mutiger als ich."
„Das glaube ich nicht. Wenn Ihre Familie in Gefahr wäre, würden Sie sich dann in einem Winkel verkriechen oder nicht doch eher versuchen, sie mit der Waffe in der Hand zu schützen?"
„Ich würde mein Leben für sie hingeben, aber ..."
„Eben." Wieder lächelte Serena Langston, doch diesmal weicher, versonnener als zuvor. „Die Zeit wird kommen und gewiß schon bald, in der die Männer hier in den Kolonien begreifen werden, daß wir alle zusammengehören wie ein Clan. Und wir werden alle füreinander und miteinander kämpfen. Lieben Sie etwa Ian nicht auch deshalb, weil er dazu bereit ist?"
Ja." Mit gesenktem Blick drückte Alanna Serenas Hände.
„Wären Sie vielleicht glücklicher, wenn Sie diese Liebe leugnen und unterdrücken, als sich zu ihr zu bekennen und anzunehmen, was Ihnen der Himmel wenigstens eine Weile schenkt?"
„Nein, gewiß nicht." Alanna schloß die Augen und dachte an die vergangenen drei Monate zurück, in denen sie sich so elend gefühlt hatte. „Ich könnte ohne Ian überhaupt niemals glücklich werden, das weiß ich jetzt. Dabei habe ich mein Leben lang davon geträumt, einen starken, ruhigen Mann zu heiraten, der sich damit zufriedengibt, gemeinsam mit mir zu arbeiten und eine Familie zu gründen. An Ians Seite würde es freilich nur Verwirrung geben, Angst, Entbehrungen und Gefahr.
Wahrscheinlich könnte ich keinen Atemzug lang wirklich in Frieden leben."
„Da haben Sie wohl recht", pflichtete ihr Lady Serena bei. „Ganz bestimmt wäre das unmöglich. Doch schauen Sie ins eigene Herz, Alanna, und stellen Sie sich selbst nur die eine Frage: Wollten Sie Ian verändern, wenn es in Ihrer Macht stünde?"
Schon hatte Alanna den Mund geöffnet, um überzeugt ,ja' zu sagen, als ihr das Herz, aufrichtiger als der Kopf, eine ganz andere Antwort aufdrängte. „Nein! Gerechter Gott, bin ich denn wahrhaftig so töricht gewesen, nicht zu erkennen, daß ich ihn liebe, weil er so ist, wie er nun einmal ist, und daß ich mir gar nicht wünsche, er wäre anders?"
Lady Serena nickte zufrieden. „Das Leben besteht aus Gefahren, Alanna. Und es gibt Menschen, die stellen sich diesen Gefahren, und andere, die gehen ihnen aus dem Wege, verstecken sich und bringen nichts voran. Zu welchen gehören wohl Sie selber?"
Alanna saß ganz lange schweigend da. „Ich frage mich, Mylady..."
„Nennen Sie mich doch Serena!"
„Ich frage mich,
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