Historical Weihnachtsband 1993
Serena", fuhr Alanna fort und lächelte scheu, „ob ich Ian jetzt, nach dieser Unterhaltung mit Ihnen, auch weggeschickt hätte."
Serena Langston lachte leise. „Es würde sich lohnen, darüber nachzudenken. Jetzt sollten Sie sich aber erst einmal ein wenig ausruhen und dem Jungen Zeit geben, Ihre Anwesenheit auf Glenroe ein wenig zu verdauen."
„Er wird nicht mit mir reden wollen", meinte Alanna und hob entschlossen den Kopf.
„Doch ich werde ihn schon dazu bringen."
„Das glaube ich Ihnen aufs Wort", sagte Serena munter. „Und ich zweifle keineswegs daran, daß es Ihnen gelingen wird."
10. KAPITEL
Ian blieb dem Dinner fern und erschien auch am nächsten Morgen nicht am Frühstückstisch. Gerade, weil dies die meisten Frauen entmutigt hätte, bot das für Alanna genau jene Herausforderung, die sie brauchte.
Außerdem trugen auch die Langstons selbst durch ihr Verhalten dazu bei, daß Alanna an innerer Sicherheit gewann. Es war einfach unmöglich, inmitten einer solchen Familie zu weilen, ohne einzusehen, was man alles mit Liebe, Entschlossenheit und Vertrauen erreichen konnte. Ungeachtet aller widrigen Umstände, denen sie ausgesetzt gewesen waren, hatten sich Serena MacGregor und Brigham Langston ein gemeinsames Leben aufgebaut. Obwohl sie beide ihre angestammte Heimat, das Land ihrer Väter, und ihnen nahestehende Menschen verloren hatten, waren sie imstande gewesen, aus eigener Kraft eine neue Zukunft miteinander zu gestalten.
Warum also sollte Alanna sich weniger zutrauen, eine ähnliche Lage mit Ian zusammen zu meistern? Natürlich würde er sich erst einmal zur Wehr setzen. Doch langsam wuchs Alannas Überzeugung, er sei viel zu eigenwillig, um gleich zu sterben.
Und selbst wenn sie ihn doch verlieren sollte, wurde das nicht aufgewogen durch das Glück, das ihr ein Jahr, ein Monat, ja sogar nur ein einziger Tag in Ians Armen geben konnte? Genau das wollte sie gern sagen, wenn sie nur endlich einmal mit ihm allein sein konnte. Sie war bereit, wenn es sein mußte, ihn um Verzeihung zu bitten. Sie würde ihren Stolz überwinden und ihn überzeugen, einen neuen Anfang zu wagen.
Je weiter freilich der Morgen verstrich, um so mehr stellte Alanna fest, daß der Unwille ihre Bereitwilligkeit zu verdrängen begann. Zwar würde sich Alanna bei Ian entschuldigen, doch erst, nachdem sie ihm seine kühle Zurückhaltung vorgeworfen hatte.
Schließlich erhielt sie von den Zwillingen einen Hinweis, wo Ian zu finden war.
„Du hast alles verdorben", erklärte Payne, als sie beide in den Garten kamen und sich pufften und kniffen.
„Haha! Du hast ihn böse gemacht. Hättest du den Mund gehalten, wären wir mit ihn ausgeritten. Aber du bist ein solcher verdammter Riesen ..."
„Schon gut, Jungs!" Lady Serena hörte auf, Blumen abzuschneiden, und wandte sich den beiden zu. „Wenn ihr schon unbedingt eine Prügelei anfangen wollt, dann bitte nicht gerade hier. Ich lasse mir meinen Garten nicht von euch Streithähnen zertrampeln."
„Er ist schuld daran", kam es wie aus einem Munde, und Alanna mußte lächeln.
„Ich wollte bloß fischen gehen", maulte Ross, „und Ian hätte mich mitgenommen, wenn er hier nicht zu quatschen begonnen hätte."
„Sagtest du 'fischen'?" Alanna zerdrückte die Blüte, die sie eben in der Hand hielt.
„Ist Ian fischen?"
„Das tut er meistens, wenn er schlechte Laune hat." Payne trat nach einem Kieselstein. „Ich hätte ihn dazu bringen können, uns mitzunehmen, wenn Ross nicht dazwischengekommen wäre. Nun ist Ian böse und ohne uns ausgeritten."
„Eigentlich mag ich überhaupt nicht fischen." Ross sah finster drein. „Viel lieber möchte ich Badminton spielen."
„Ich werde dir zeigen, wer besser spielen kann!" brüllte Payne und rannte davon, um als erster auf die Wiese zu kommen.
„Ich habe eine hübsche Stute im Stall stehen, eine Fuchsstute, die mir mein Bruder Malcolm geschenkt hat, der ein großer Pferdekenner ist." Serena fuhr fort, Blumen zu schneiden. „Reiten Sie gern, Alanna?"
„Und ob, auch wenn ich daheim nicht allzuviel Zeit dazu habe."
„Um so mehr sollten Sie hier die Gelegenheit nutzen." Sie lächelte ihrem Gast strahlend zu. „Sagen Sie einfach Jem, er solle auf meinen Wunsch ,Prancer' für Sie satteln. Am besten wenden Sie sich dann nach Süden. Es führt ein Weg durch den Wald hinter den Stallungen. In dieser Jahreszeit ist es am Fluß sehr schön."
„Danke." Alanna wollte davoneilen, blieb aber nach wenigen Schritten stehen. „Ich, ich
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