Historical Weihnachtsband 1993
Schnittblumen im März! Das Bett wäre für drei breit genug gewesen, der Überwurf war aus blaßblauer Seide und Kissen überall. Es gab einen Kleiderschrank, der in die Wand eingelassen war, einen zierlichen Damenschreibtisch, einen kleinen Toilettentisch mit einem Spiegel im Silberrahmen und einen Sessel mit Brokatbezug. Die Fenster standen weit offen, eine laue Brise wehte Düfte herein und spielte in den Samtvorhängen. Bevor Alanna auch nur ein Wort hätte sagen können, kam eine eilfertige Zofe mit einem Henkelkrug voll heißem Wasser herein.
„Ihr Boudoir ist gleich hier nebenan." Lady Serena ging an dem hellen Marmorkamin vorüber und lächelte einer kleinen drahtigen Schwarzen zu. „Und das ist Hattie, Sie wird sich um Ihre Wünsche kümmern, solange Sie bei uns bleiben. Hattie, du siehst zu, daß es Mrs. Flynn an nichts mangelt, ja?"
„O gewiß, ja, Madam." Hattie strahlte.
„Gut." Lady Serena streichelte Alannas Hand, spürte, wie kalt ihre Finger waren, und empfand sofort Mitgefühl. „Kann ich noch irgend etwas für Sie tun?"
„O nein, Sie haben schon so viel für mich getan."
Dabei habe ich nicht einmal richtig angefangen, dachte Serena und lächelte. „Dann verlasse ich Sie jetzt, damit Sie sich ein wenig ausruhen können. Hattie wird Sie später hinunter begleiten."
Als sich die Tür hinter Lady Langston schloß, gegen deren bestimmendes Wesen man sich nicht leicht wehren konnte, setzte sich Alanna müde auf das Bett und fragte sich, wie sie das alles wohl durchhalten sollte.
Zu unruhig, um sich lange in ihren Räumen aufzuhalten, ließ sich Alanna von Hattie aus dem Reisekleid helfen und ihr bestes Gewand überstreifen, das sie hatte. Die kleine Zofe konnte, wie sich
schnell herausstellte, ausgezeichnet frisieren. Mit geschickten Fingern und in einem geschwätzigen Singsang plaudernd, bearbeitete sie Alannas rabenschwarze Locken, bürstete und wand sie schließlich so geschickt ineinander, daß sie über die linke Schulter fielen.
Alanna befestigte gerade die Granatohrgehänge ihrer Mutter und raffte all ihren Mut zusammen, um hinunterzugehen, als laute Stimmen und Getrampel von draußen hereinschallten. Neugierig öffnete Alanna die Tür einen Spalt weit und dann ganz, als zwei kleine Knaben im Korridor auf dem Teppich übereinanderrollten.
„Guten Tag, Gentlemen", sagte sie.
Die Jungen, die einander wie ein Ei dem anderen glichen mit zerzausten schwarzen Haaren und eigenartig topasfarbenen Augen, hörten sofort auf, sich zu balgen, und musterten die Fremde. Dann, als hätten sie gemeinsam ein heimliches Zeichen erhalten, standen sie auf und verbeugten sich gleichzeitig.
„Wer sind denn Sie?" erkundigte sich der eine, dessen Lippe aufgeplatzt und blutig war.
„Ich heiße Alanna Flynn", antwortete sie mit einem Lächeln. „Und ihr beide müßt Payne und Ross sein."
„Stimmt", gab der andere zurück, den ein blaues Auge zierte. „Ich bin Payne, der ältere von uns, deshalb heiße ich Sie auf Glenroe willkommen."
„Ich will sie aber auch willkommen heißen!" Ross versetzte dem Bruder einen Rippenstoß mit dem Ellbogen, bevor er einen Schritt auf Alanna zutrat und ihr die Hand hinstreckte.
„Dafür danke ich euch beiden", sagte sie und hoffte, daß der Friede damit gewährleistet sei. „Ich war eben auf dem Wege nach unten zu eurer Mutter.
Vielleicht möchtet ihr mich begleiten?"
„Sie wird im Salon sein, es ist Teezeit." Ross nahm Alanna bei der Hand.
„Natürlich trinkt niemand hier den verdammten Tee, das heißt nur so." Payne folgte dem Beispiel des Jüngeren, worauf Alanna auch seine Hand ergriff. „Selbst wenn uns die Engländer das Gesöff gewaltsam in die Gurgel schütten wollten, würden wir es ihnen ins Gesicht spucken."
Alanna kämpfte gegen ein Lächeln. „Das versteht sich von selbst."
Als das Trio unten erschien, erhob sich Lady Serena. „Ah, Alanna! Ich sehe schon, Sie sind an meine beiden Wilden geraten." Mit
einem Blick, der für sich selbst sprach, nahm sie die geplatzte Lippe und das blaue Auge zur Kenntnis. „Wenn ihr auf ein Stück Kuchen aus seid, solltet ihr euch erst einmal waschen." Die Zwillinge stürmten hinaus, und sie wandte sich wieder an Alanna, um sich mit den anderen Familienmitgliedern bekanntzumachen, die hier versammelt waren. Da gab es den achtzehnjährigen Kit, der das Aussehen und das Lächeln der Mutter geerbt hatte. Ein junges Mädchen, etwa in Brians Alter, war eher blond als rothaarig und hatte entzückende Grübchen
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