Historical Weihnachtsband 2010
Den Mut, seinem Blick zu begegnen, besaß sie aber nicht. „Mylord, ich habe diese Entscheidung akzeptiert. Fühlt Euch nicht verpflichtet, mir ein Angebot zu machen, das Ihr nicht wirklich wollt. Ein Angebot, zu großzügig für eine Hu…“
„Nenne dich nicht so!“, brüllte er so laut, dass sie zurückwich. „Wir beide wissen, dass du keine bist. Du bist viel mehr wert, als du wahrhaben willst, und ich erlaube nicht, dass du dieses Wort noch einmal benutzt.“
Er packte sie bei den Schultern und zog sie an sich. Lord Orrick und Lady Margaret ließen kein Auge von dieser anstößigen Zurschaustellung seiner Gefühle, und Elizabeth war überzeugt, dass sie entsetzt sein mussten.
„Mädchen“, sagte er ruhig, „schau mich an.“
Langsam hob sie den Kopf. In seinen Augen sah sie nur Güte und Fürsorge. Sie konnte es fast nicht ertragen. „Mylord?“
„Ich möchte, dass du mit mir zusammen in mein Dorf zurückkehrst. Wenn das Wetter erst einmal besser ist, werde ich dich zu meinem Clan und zu meiner Burg mitnehmen.“
„Als Eure Bettgenossin, Mylord? Als Eure Geliebte, bis Ihr wieder heiratet?“ Eine andere Möglichkeit gab es doch nicht für sie. Und wenn er heiratete, was würde dann mit ihr geschehen? Bleiben konnte sie in diesem Fall nicht, und einen anderen Ort, wo sie hätte hingehen können, gab es für sie auch nicht. Dabei zusehen, wie er eine andere heiratete und zu wissen, dass ihre Liebe zu ihm kein Gewicht hatte, nein, das konnte sie erst recht nicht.
„Nein, Elizabeth. Werde meine Frau.“
Ein reißender Schmerz durchfuhr ihr Herz, und Elizabeth spürte, wie sie die Beherrschung verlor. Sie fing an laut zu lachen, schüttelte sich vor Lachen, dass sie kaum noch Luft bekam. Und versuchte zu verstehen, warum sie schon wieder bestraft wurde. Gerade als sie geglaubt hatte, einen Weg gefunden zu haben, wie sie ihre Seele von Sünden reinigen und in Frieden leben konnte, lockte Gavin sie mit dem Einzigen, wonach sie sich mit aller Kraft sehnte. Dem Einzigen, das sie nicht haben konnte. Zu einer anderen Zeit, in einem anderen Leben und an einem anderen Ort hätte eine Heirat mit Gavin MacLeod all ihre Träume wahr werden lassen. Nun machte sein Angebot die Strafe nur noch schlimmer, die sie würde ertragen müssen.
„Elizabeth“, sagte er und schüttelte sie leicht, damit sie ihm wieder ihre Aufmerksamkeit schenkte. „Willst du mich heiraten?“
Mit einem Ruck riss sie sich von ihm los. Und dann sagte sie die Worte, die sie in seinen Augen für immer brandmarken würden. „Ich fürchte, ich kann Euch nicht heiraten, Mylord, denn ich bin bereits verheiratet.“
„Was?“, schrie er und taumelte zurück. „Du bist verheiratet?“
Lord Orrick nahm seine Gattin bei der Hand und wollte zur Tür gehen, doch Gavin hielt ihn auf. „Oh nein, mein Freund, der du dich so gerne in alles einmischst. Du hast mir den Auftrag gegeben, die Wahrheit herauszufinden. Du wirst jetzt hierbleiben und sie dir mit mir zusammen anhören.“
Also hatte sie doch recht gehabt, als sie ihn einen Edelmann nannte, der mit einer Frau niedrigen Standes nur sein Vergnügen hatte haben wollen. Damals hatte er sich über ihre Worte aufgeregt. Sie wusste jetzt, warum. Aber ihn aufzufordern, sie so lange zu benutzen, bis er alles über ihre Vergangenheit herausgefunden hatte, war grausam. Das hätte sie nicht von Lord Orrick gedacht. Wie es schien, änderten alle Edelleute ihr Gesicht, wenn man ihre Pläne durchkreuzte, wie sie es bei Lord Orrick getan hatte. Es war nur darum gegangen, ihre schwache Stelle zu entdecken. Und sie dann zu benützen, um herauszufinden, was Elizabeth ihnen freiwillig nicht enthüllen wollte. Lord Gavin hatte ihre Schwäche entdeckt.
„Ich bin verheiratet, Mylord“, sagte sie und versuchte, ihrer Stimme die Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. „Seit meinem sechzehnten Lebensjahr.“ Sie sah ihn jetzt an.
„Wer war dein Mann?“, fragte Gavin. „Starb er und ließ dich schutzlos zurück? Hast du keine Familie, die dich davon abhält zu hu…“ Er sprach das Wort nicht aus.
„Mein Ehemann ist ein reicher Kaufmann in York. Er wollte mich nicht länger zur Gattin. Der Handel, den er mit meinem Vater abschloss, brachte ihm nicht den erwünschten Erben, den er sich so verzweifelt wünschte. Also jagte er mich fort.“
„Willst du damit sagen, er verstieß dich, Elizabeth? Was sagte der Priester dazu? Oder dein Vater? Er hat doch sicher etwas dagegen unternommen?“, fragte Lady
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