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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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hatte Hitler ähnliche Schwierigkeiten wie in Berlin, seinen Anspruch auf absolute Macht in der NSDAP durchzusetzen – und das, obwohl er seinen mit Abstand begabtesten Paladin als Gauleiter in der Reichshauptstadt eingesetzt hatte. Allerdings spricht alles dafür, dass Hitler instinktiv den einzig für ihn möglichen Weg ging: sich heraushalten aus den Konflikten vor Ort, solange auszugleichen versuchen wie irgend möglich, um nicht in die eine oder andere Richtung festgelegt werden zu können, zuletzt aber mit brachialer Gewalt zuschlagen; dieses Muster sollte sich in der Zeit seiner Herrschaft über Deutschland vielfach wiederholen. Das war allerdings nur möglich, weil Hitler lediglich zeitweise in Berlin war und ansonsten den Lauf der Dinge von München aus verfolgte: Er konnte die Reichshauptstadt nicht im ständigen Clinch mit Kommunisten und Abweichlern in den eigenen Reihen erobern, denn die zwangsläufigen Reibungsverluste hätten ihn den Nimbus des mit absoluter Macht ausgestatteten Führers gekostet, der unverzichtbare Voraussetzung seiner Macht war. Ohne Hitler hätte es keinen Nationalsozialismus gegeben, aber ohne Joseph Goebbels in Berlin ebenso wenig ein Drittes Reich.

    Beinahe am Ende

    Triumph und Niederlage trennt bisweilen nur wenig. Im Sommer 1932 lagen für Hitler gerade zwei Wochen dazwischen. Seit vier Jahren hatte seine Bewegung bei Abstimmungen ständig hinzugewonnen; bei den Reichstagswahlen am 31. Juli war die NSDAP die mit weitem Abstand stärkste Partei in Deutschland geworden. Daraufhin suchte Hitler am
    13. August Reichspräsident Hindenburg auf, um für sich die Kanzlerschaft zu fordern. Es war sein dritter Besuch beim Staatsoberhaupt, gegen das er noch im Frühjahr desselben Jahres kandidiert hatte. Doch mehr als den Posten des Vizekanzlers wollte Hindenburg dem NSDAP-Chef nicht anbieten. Der Wahlsieg wandelte sich zur Last, denn die Partei war nicht stark genug, um Hitlers Kanzlerschaft zu erzwingen, aber zu stark, um sich mit weniger zufrieden geben zu können. In sein Tagebuch notierte Goebbels: »Wir haben es noch nicht verdient: wieder danebengegangen. Chronologisch: mittags Hitler bei [Reichswehrminister] Schleicher, dann bei [Reichskanzler] Papen. Reden ihm wie einem kranken Pferd zu, mit der Vizekanzlerschaft zufrieden zu sein. Also wollen sie uns abnützen. Kommt nicht in Frage. Hitler lehnt ab. Frick sekundiert eifrig. Also ergebnislos. (…) Kampf! Die Herren werden schon mürbe werden. Das sind keine Cromwells, sondern kleine Spießer mit Napoleon-Komplexen.« In der überarbeiteten, 1934 als Buch unter dem Titel Vo m Kaiserhof zur Reichskanzlei veröffentlichten Version seiner Aufzeichnungen liest sich derselbe Eintrag so: »Mittags ist der Führer bei Schleicher und Papen. Man redet ihm zu, mit der Vizekanzlerschaft zufrieden zu sein. Es besteht also die Absicht, ihn und die Partei abzunutzen. Ein unmögliches Ansinnen. Geht der Führer darauf ein, ist er verloren. Es kommt also nicht in Frage. Er lehnt rundweg ab. Dr. Frick sekundiert ihm eifrig dabei. Die Unterredungen sind also ergebnislos verlaufen. (…) Kampf! Die Wilhelmstraße wird schon mürbe werden. Ein Cromwell sitzt nicht im Kabinett, und am Ende siegt ja immer noch die Stärke und Zähigkeit über alle Hindernisse.« Das Beispiel zeigt, dass Goebbels’ tägliche Aufzeichnungen als Material für seine spätere, propagandistisch zugespitzte Ausarbeitung dienten. Seine Tagebücher sollte man daher nicht als Dokumente subjektiv ehrlicher Wahrnehmungen missverstehen; jede Notiz stand unter der Prämisse der politischen Agitation. 38
    Adolf Hitler weilte im Jahr 1932 so häufig und so lange wie nie zuvor in Berlin: insgesamt mehr als zehn Wochen. Er sprach nicht weniger als 15 mal in der Hauptstadt – öfter als in den Jahren seit 1922 zusammen. Von hier aus inszenierte er seine »Deutschland-Flüge«, eine revolutionäre Wahlkampfstrategie mit teilweise mehreren Auftritten in weit auseinander liegenden Städten am selben Tag. Trotzdem wuchs Mitte August, nach dem Scheitern des strahlenden Wahlsiegers bei Hindenburg, bei den verbliebenen liberalen und demokratischen Kräften die Hoffnung, eine Regierung Hitler könnte vielleicht doch noch verhindert werden. Denn gerade in Berlin zeigten sich Auflösungserscheinungen bei NSDAP und SA. Es sickerte durch, dass die Parteikasse kontinuierlich im Minus lag; in bürgerlichen Bezirken machte sich Enttäuschung breit. Einer der Gründe dürfte gewesen sein, dass die

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