Hitzetod
sein, der Bill Hoskins vermissen würde. Der hatte sein Leben damit verbracht, sich um die Toten zu kümmern, und jetzt war sein eigener Körper irgendwohin geworfen worden. Ohne Zeremonie, ohne Respekt weggeworfen. Plötzlich hatte Kate keine Angst mehr. Sie war wütend. Dafür würden Leute bezahlen müssen, allen voran ihr Onkel.
Wendy war etwas aufgeregt, als sie Delaney, Kate und den Jungen in ihre Küche bat. »Ein Jammer, dass ihr Siobhan verpasst habt. Sie ist zum Tee bei einer Freundin, müsste aber relativ bald zurück sein.« Sie öffnete den Deckel ihres großen Landhausherdes und stellte einen Kessel, der genauso aussah wie Kates, auf die Herdplatte. Ihre Hand zitterte ein wenig, sodass der Kessel klapperte.
Kate beobachtete sie. »Ich sehe zu, dass ich meinen ausgeschaltet lasse. Es war die ganze Zeit so heiß, dass ich ganz gut mit Salaten über die Runden gekommen bin.«
Lächelnd erwiderte Wendy ihren Blick. »Ja, es war unerträglich. Kommt einem verrückt vor, ihn nur für ein paar Tassen Tee anzuwerfen.« Noch verrückter kam es ihr vor, in ihrer Küche mit einer fremden Frau, die mit Wendys flüchtigem Schwager und einem verdreckt aussehenden Jungen aufgetaucht war, über das Wetter und Landhausherde zu plaudern. Den Gedanken schob sie beiseite, während sie Tassen und Untertassen auf den Tisch stellte und dem Jugendlichen mit den zotteligen Haaren, der neben ihr stand, beruhigend zulächelte. Der Junge erwiderte ihr Lächeln nicht. Seinem etwas düsteren Blick nach zu urteilen, hatte er vermutlich schon sehr lange nicht mehr gelächelt.
»Möchtest du einen Tee, Andy?«
»Gibt’s kein Bier?«
»Benimm dich«, sagte Delaney in scharfem Ton.
»Sonst?«
Delaney sah ihn ausdruckslos an. Andy starrte einen Moment lang zurück, bevor er den Blick abwandte.
»Mir egal.«
Wendy lächelte erneut, ein angestrengtes Lächeln.
»Ich habe auch Cola.«
Andy nickte mürrisch. Wendy holte eine Dose Coca-Cola aus dem Kühlschrank und gab sie dem Jungen, der sich damit an den Küchentisch setzte.
Delaney fasste seine Schwägerin am Arm und ging mit ihr in die Diele.
»Danke dafür, Wendy.«
Sie nickte. »Ist schon in Ordnung.«
»In ein paar Stunden holen wir ihn wieder ab.«
»Worum geht’s hier eigentlich, Jack?«
»Ich möchte, dass du etwas für mich verwahrst.« Er zog einen Brief aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn ihr.
Wendy warf einen Blick darauf, überflog rasch die Wörter. »Was ist das? Dreißigtausend Pfund?«
»Mein Anwalt weiß Bescheid. Es ist ein Teil einer Kaution für eine Wohnung. Ich habe mir gemerkt, was du neulich gesagt hast, und du hattest recht. Ich brauche etwas, wo Siobhan mit mir leben kann.«
»Du hättest es auf der Bank lassen können. Dafür brauchst du kein Bargeld.«
»Es ist inoffiziell. So bleibt der Kaufpreis unter der nächsthöheren Stufe der Grunderwerbssteuer.«
»Ist das nicht illegal?«
Ohne zu antworten, blickte Delaney sie an.
Sie nickte. »Gut.«
»Bewahr es sicher auf, falls irgendwas passiert.«
»Sag so was nicht, Jack.«
Delaney küsste sie auf die Wange. »Es wird alles gut, Wendy.«
Kate ließ den Motor an und sah zu Delaney hinüber. »Bist du sicher, dass wir das Richtige tun?«
»Wir müssen zu seinem Haus fahren, Kate. Wir brauchen Beweise. Irgendetwas Gerichtstaugliches. Das Wort dieses Jungen reicht nicht. Er ist ein dreizehnjähriges Kind, aber schon ein Berufskrimineller, und das wird ein Gericht in seine Überlegungen mit einbeziehen. Wir brauchen etwas Konkretes, womit wir deinen Onkel in Verbindung bringen können. Wir brauchen handfeste Beweise.«
Als Kate auf die Straße fuhr, klappte sie die Sonnenblende herunter. Selbst um acht Uhr abends, wo die Sonne bereits niedriger stand, war das Licht noch ziemlich grell.
Als ihr Auto am Ende der Straße nach links abbog und dann nicht mehr zu sehen war, nahm der Mann in dem Volvo, der ihnen vom Friedhof aus gefolgt war, seine Sonnenbrille ab. Die Narbe auf seiner Wange pochte in der Hitze ein wenig, und das weiße Fleisch stach umso deutlicher hervor, je brauner sein Gesicht wurde. Es war wie Narbengewebe von einer Verbrennung, und Superintendent Walker strich sich unbewusst mit einem Finger darüber, beinahe zärtlich, während er lächelnd zu Wendys Haus hinüberblickte.
Kate betätigte ausdauernd ihre Hupe, als ein sich langsam fortbewegender Range Rover ihr den Weg versperrte. »Verdammte Chelsea-Traktoren. Die gehören längst
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