Hitzetod
Fensterheberknopf.
»Macht es dir was aus, dass Siobhan bei deiner Schwägerin lebt?«
»Damals war es das Beste für sie.«
»Und jetzt?«
»Vielleicht immer noch. Aber ich habe mich umgeschaut, würde mir gerne wieder ein eigenes Haus kaufen.«
»Wohnst du zur Miete?«
»Das Haus habe ich verkauft. Mit so ziemlich allem, was drin war. Damals hatte ich das Gefühl, dass es so gut war.«
»Hat sich dein Gefühl geändert?«
»Man kann seine Erinnerungen nicht einfach verkaufen.«
Kate nickte gedankenverloren. »Vielleicht sollte man es erst gar nicht versuchen.«
Delaney nickte. »Es war auch Siobhans Haus.«
Kate schaute plötzlich wieder auf die Straße. »Mist!« Sie setzte den Blinker und blieb mit quietschenden Reifen am Straßenrand stehen.
»Was machst du?«
»Warum war keine Polizei da, Jack?«
»Wie meinst du das?
»Bei Wendy. Es hätte Polizei da sein müssen. Um nach dir zu suchen. Das Haus zu beobachten. Wir haben aber keine gesehen.«
»Hätten wir wohl auch nicht.«
»Sie hätten doch irgendwo jemanden postiert, oder? Zur Beobachtung.«
Delaney nickte finster. »Es sei denn, er wäre abgezogen worden.«
Er holte sein Handy heraus. »Dreh um, Kate.«
Als Delaney zu telefonieren begann, war Kate bereits auf dem Rückweg.
Wendys Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. Sie versuchte zu schreien, doch alles, was sie zustande brachte, war ein leises Wimmern. Unter Schmerzen drehte sie den Hals, wobei ihr Gesicht über das polierte Eichenholz ihres Dielenfußbodens scheuerte und der vertraute Geruch von Parkettreiniger ihr penetrant in die Nase stieg. Sie hustete und würgte, als der Knebel sich noch fester in ihren Mund schob, und versuchte, tief durch die Nase zu atmen, entschlossen, nicht in Panik zu geraten, und bemüht, die Stimme, die in ihrem Kopf schrie, zu beruhigen. Walker blickte unbewegt auf sie herab und nickte dem Jungen mit der dünnen Schnur in der Hand zu.
»Zieh noch fester zu, Andy.«
Der Junge straffte die Schnur, die den Knebel hielt, und verzog Wendys Mund zu einem steifen Grinsen. Wie bei Billy Martin und Jackie Malone waren Wendys Hände und Füße mit Bügeldraht gefesselt, der so fest zugedreht worden war, dass er sich grausam in ihr zartes Fleisch hineinfraß.
Walker tätschelte Andy liebevoll den Kopf und lächelte wie ein Lehrer, der sieht, wie sein Lieblingsschüler eifrig gelernten Lehrstoff anwendet. Schließlich machte Andy einen Knoten in die Schnur, ohne sich um die Schmerzen zu kümmern, die er Wendy zufügte.
Walker sah sich ungehalten um, als das schrille Klingeln des Telefons laut in der Diele widerhallte. Sein Blick senkte sich auf das hochwertige Sabatier-Tranchiermesser, das er in der Hand hielt. Eine dreißig Zentimeter lange, breite Stahlklinge mit solidem Holzgriff.
»Zeit, sie aus dem Weg zu schaffen, Andy.«
Das Lächeln auf Andys Lippen ließ Wendy erschauern, während sie, nackte Angst im Blick, zusah, wie die Klinge sich hob. Roger hatte ihr einmal einen ganzen Satz davon zum Geburtstag geschenkt. Was sie ihm nie verziehen hatte. Über die Jahre, schoss es ihr durch den Kopf, hatte sich einiges angesammelt, was sie ihm verzeihen müsste: zu viele Golftouren mit den Jungs, zu viele Arbeitstreffen am Abend, zu viele gedankenlose Bemerkungen, zu viele Momente, in denen sie einfach nicht genug beachtet, geschätzt oder geliebt worden war. In denen sie nicht das Gefühl gehabt hatte, etwas Besonderes für ihn zu sein. Nie hatte sie die Augen ihres Mannes so zum Leuchten gebracht, wie ihre Schwester es bei Delaney vermocht hatte, das wusste sie, aber sie liebte ihren Mann auf ihre Weise, und in der panischen Angst, die sie jetzt verspürte, wurde ihr klar, dass sie, selbst wenn sie ihm all diese Dinge verzeihen wollte, keine Zeit mehr dazu haben würde.
Wieder klingelte das Telefon. Vom Steinboden der Küche hallte das Geräusch wie ein Alarmsignal wider.
Walker ließ das Messer herabsausen. Kalt. Emotionslos.
Delaney drückte auf den roten Knopf an seinem Handy und wählte eine andere Nummer.
»Sally, hier Delaney. Ist Walker im Haus?«
»Nein, er ist vor einer Weile gegangen.«
»Wissen Sie, wohin?«
»Er hat eine Nachricht für Sie hinterlassen, Sir, für den Fall, dass Sie anrufen.«
»Was für eine Nachricht?«
»Er sagte, bevor Sie etwas Unüberlegtes tun, sollten Sie an Ihre Tochter denken. Ich vermute, er macht sich Sorgen um Sie.«
»Neuer Versuch. Ich glaube, dass er Siobhan etwas antun wird, Sally. Walker war
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