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Hitzetod

Hitzetod

Titel: Hitzetod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Pearson
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Fenster hinaus, während der Porsche in Richtung Westen beschleunigte. Bemüht, ihn zu durchschauen, warf Bonner ihm erneut einen Seitenblick zu. Ohne Erfolg. Trotzdem redete er weiter.
    »Natürlich kann der Tod ein intimer Augenblick sein, hab ich recht, Cowboy? Die Frau atmet aus, Sie atmen ein. Die Frau aber nicht. Nie mehr. Und dieser letzte Atemzug von ihr … Sie können das scheidende Leben schmecken. Ihren Duft. Die aus ihrem Körper entweichende Wärme. Ihre sich entspannenden Muskeln.«
    Er schüttelte den Kopf und bedachte ihn erneut mit einem humorlosen Lächeln.
    »Was schätzen Sie, Cowboy? Vielleicht sogar besser als Sex?«

4
     
    Ladbroke Grove. Westlondon. Teile davon waren sehr angenehm. Hier lebten Angehörige gehobener Berufe, deren Einkünfte für Holland Park nicht ganz ausreichten. Hohe, mit kleinen Jennifers und Nigels bestückte viktorianische Stadthäuser. An heißen Sommerabenden schwebten Vivaldi und Bruckner durch die unbewegte Luft, zusammen mit Unterhaltungen über Bezugsrechte, Opern und Einwanderungsgesetze. Andere Teile waren weniger angenehm. Wohnungen und Häuser voller Studenten, Drogendealer, Prostituierte und Drehbuchautoren, die drüben in der BBC-Zentrale in Shepherd’s Bush arbeiteten. Delaney stieg aus dem Auto und fragte sich, welches der schlimmere Teil war.
    Der mit gelbem Klebeband versiegelte Eingang eines großen Stadthauses auf der anderen Straßenseite, das man zu einem Mietshaus umgebaut hatte, wurde von uniformierter Polizei bewacht. Eine junge honigblonde Polizistin richtete sich noch ein bisschen mehr auf, streckte mit geradezu katzenartiger Sinnlichkeit den Rücken und lächelte Delaney zu, als er näher kam. Ihr letzter Tag in Uniform; im nächsten Schritt ihrer rasanten Karriere sollte sie bald ins CID wechseln, weshalb sie ganz scharf darauf war, Eindruck zu schinden.
    »Guten Abend, Inspector.«
    »Sally.« Delaney nickte und lächelte ihr kurz zu. Früher wäre er auf einen kleinen Plausch stehen geblieben. Sie war eine attraktive junge Frau, und er hätte todsicher mit ihr geflirtet, selbst als verheirateter Mann. Unverfänglich natürlich; er hatte seine Frau geliebt. Vor seiner Ehe hätte das allerdings ganz anders ausgesehen. Viele Leute bei der Polizei hielten es für unklug, unter Kollegen etwas anzufangen. Delaney hatte das nie so gesehen. Über die Jahre hatte er wenig ausgelassen. Aber das war damals. Jetzt lebte Delaney in einer Welt, in der das Flirten reizlos war. Mit einem langen Seufzer ging er zur Haustür.
    Zeit, sich an die Arbeit zu machen.
    Er steckte die Hände in die Taschen und betrat den Korridor, wobei er die neugierigen Blicke und das Kopfnicken der Polizisten, die den Tatort bewachten, kaum zur Kenntnis nahm.
    »Oben, Chef.«
    »Ich weiß, wo sie wohnt.«
    »Eine ganz schön Schlimme.«
    »Sie sind alle schlimm, Constable. Menschen sind schlimm.«
    Delaney betrachtete das geometrisch gemusterte Mosaik auf dem Fußboden. Rot und gelb. Spätviktorianisch, der einzige Originalbestandteil, der von dem ehemals sicher wunderschönen Stadthaus übriggeblieben war. Wir bekommen, was man uns gibt, dachte er, und dann vermasseln wir es. Er ging die Treppe hinauf, Stufen, die er schon oft erklommen hatte, Stufen, die im Laufe der Jahre tausende von Menschen hatten kommen und gehen sehen, und es war durchaus möglich, dass mehr als einer von ihnen ein Mörder gewesen war. Ganz sicher galt das für den oder die Menschen, die Jackie Malone zuletzt lebend gesehen hatten. Das war eine eiskalte Tatsache.
    Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen und fragte sich, was die Einzimmerwohnung wohl ursprünglich gewesen war. Ein Kinderzimmer vielleicht? Das Elternschlafzimmer? Hatten hier über die Jahre hinweg Kinder gespielt und gelacht, um danach bei Gutenachtgeschichten und Schlafliedern aus Spieldosen einzuschlafen? Hatten sie aus dem hohen viktorianischen Fenster geschaut und sich sehnlichst gewünscht, Peter Pan möge angeflogen kommen und sie ins Nimmerland entführen?
    Was immer es früher gewesen war, jetzt war dieses Zimmer ein Tatort, und Jack Delaney war nicht danach zumute, in die Hände zu klatschen. In Wirklichkeit hatte er nie an Märchen geglaubt, doch er wusste, dass das Böse existierte, und er spürte seine Anwesenheit in der Luft wie die kalte, feuchte Berührung einer Leiche.
    Der stämmige Polizist machte ehrerbietig einen Schritt zur Seite und ließ den Inspector in das Zimmer treten, in dem Delaneys geübtes Auge sofort zu

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