Hitzetod
Kopf wider, als hätte er sie in das Deckengewölbe der alten Kirche hinausgebrüllt.
Vergib mir, Vater, denn ich habe gesündigt.
Auf einer Empore im hinteren Teil der Kirche saß Mrs. Henderson an der Orgel, eine freundliche, sanfte Dame von zweiundfünfzig Jahren, und setzte die Füße auf die Pedale. Sie drehte das Notenblatt um, legte die Hände auf das Manual und begann zu spielen. Liebliche Musik erfüllte den Raum. Musik als Ausdruck der Verherrlichung und Anbetung. Die Musik des Rituals, dachte Delaney, als der Klang ihn in seine eigene Kindheit zurückversetzte. In eine andere Kirche, in einem anderen Land, in einer anderen Zeit.
Jack spürte, wie das Blut in seinen Adern pulsierte, während er vor dem Altar kniete und darauf wartete, dass Father O’Connell zurückkam. Seine wunden nackten Knie, mit denen er unbehaglich auf dem kalten Stein hin und her rutschte, taten ihm weh.
Jack Delaney war Ministrant, der Jüngste einer Gruppe von fünf oder sechs Jungen aus dem Dorf, die jeden Samstagmorgen zum Üben in die Kirche kamen. Die anderen waren vor einer halben Stunde oder so nach Hause geschickt worden, und Jack hatte die Anweisung erhalten, auf Knien zu warten und über seine Sünden nachzudenken. Und das tat er. Er dachte viel über sie nach. Vor allem über das eine, das er getan hatte und nicht mehr zurücknehmen konnte, so sehr er auch betete, in die Vergangenheit zurückgehen und es ungeschehen machen zu dürfen. Deshalb stählte er sich jetzt innerlich gegen das, was da kommen mochte. Was immer es war, er verdiente es.
Jack konnte Bewegung in der Sakristei hören und ballte die Hand zur Faust, damit sie aufhörte zu zittern. Er hatte gesündigt und musste jetzt den Konsequenzen ins Auge sehen.
Father O’Connell war zu großem Zorn fähig. Um das zu erkennen, brauchte man sich nur an einem Sonntagmorgen eine seiner altmodischen Predigten anzuhören. Er ließ keinen Zweifel daran, was er hasste, was er von Sünden und Sündern hielt und was aus ihnen werden sollte. Und Jack war ganz bestimmt ein Sünder. Sein Vater schwor, dass er für die Sünde geboren war wie die Ente fürs Wasser. Und sein Vater musste es ja wissen.
Als ein Schatten vor ihm auf den gebohnerten Fußboden fiel und er das leise Rascheln eines Talars vernahm, hob er den Blick. Father O’Connell war nicht sonderlich groß, aber aus der Sicht eines knienden Zehnjährigen besaß er mit seinen Einssechzig olympische Proportionen, und sein struppiger roter Bart und seine entzündeten roten Augen verliehen ihm das Aussehen eines Unheilspropheten aus dem Alten Testament. Jack zitterte unwillkürlich. Normalerweise hatte er vor niemandem Angst, stellte sich auf dem Schulhof viel größeren Kindern entgegen, wenn sie sich mit ihm anlegten, aber Father O’Connell hatte einen bestimmten Ruf. Er liebte es, Jungen wehzutun. In seiner Sakristei bewahrte er einen Riemen auf, und unter den Eltern im Viertel hatte niemand etwas dagegen, dass er ihn benutzte, um ihre ungezogenen Kinder auf Linie zu halten. Und es gab Gerüchte.
»Was sollen wir bloß mit dir machen, Jack?« Die Enttäuschung unverkennbar, hallte die dröhnende Stimme des Priesters von den Steinmauern der Kirche wider.
»Ich wollte es nicht, Father.«
»Du wolltest die Flasche Messwein gar nicht trinken?«
»Nein, Father.«
»War es dann der Teufel, der dich dazu gebracht hat?«
»So muss es wohl sein, Father. So wahr Sie da stehen, ich habe keine Ahnung, warum ich so etwas getan habe.«
»Keine Ahnung?«
»Nicht die leiseste. Gott sei mein Zeuge.«
»Aber Gott ist dein Zeuge, Jack, oder?«
»Ja, Hochwürden.«
»Dann war es also der Teufel in dir, der die Ahnung hatte, ist es das, was du denkst?«
»Jetzt, wo Sie es sagen, Father, genau so muss es gewesen sein. Ich selbst mag nämlich gar keinen Wein. Er schmeckt widerlich.«
»Und trotzdem hast du eine ganze Flasche davon getrunken.«
»Und bin sterbenskrank davon geworden.«
»Dann hast du vielleicht eine wertvolle Lektion gelernt, Jack.«
»Das habe ich ganz bestimmt, Father«, sagte er voller Hoffnung.
»Es war der Teufel in dir. Bist du dir dessen jetzt sicher?«
»Hundert Prozent, Father.«
»Es ist eine böse Sache, wenn man den Teufel in seinen Körper hineinlässt, mein Junge.«
»Er muss sich bei mir eingeschlichen haben, Father. Von jetzt an werde ich wachsam sein. Das verspreche ich Ihnen.«
»Aber der Teufel ist in dir, Junge, und wir müssen ihn da wieder rausholen, oder?«
»Müssen
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