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Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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nicht mehr aushielt. Dass sie Schatten suchte und umfallen würde, wenn man sie nicht vorbeiließ. Rings um sie brandete ein kurzes, gleichgültiges Lachen der Trauergemeinde auf. Der Vorsitzende des Gastronomenverbandes hatte seine Rede mit einer Anekdote beendet. Vereinzelt applaudierte jemand. Etwas, das Winnie bei einem Anlass wie diesem als vollkommen irrwitzig empfand.
    Sie wich einer korpulenten Schaulustigen aus und kämpfte sich weiter voran. Noch etwa dreißig Meter bis zu der Stelle, an der der Kerl mit der Kamera stand.
    Falls er noch dort stand …
    Winnie blieb kurz stehen und reckte den Hals, während die Leute um sie herum jetzt ebenfalls in Bewegung gerieten. Die ersten Trauergäste reihten sich ein, um am offenen Grab vorbeizudefilieren. Vielleicht auch, um der Witwe ein paar tröstliche Worte ins Ohr zu flüstern, die wie ein unsicheres Kind neben einer Schale mit Erde stand. Rechts hinter ihr entdeckte Winnie ihren Vorgesetzten, der unablässig um sich blickte und überaus beunruhigt wirkte. Offenbar war ihm inzwischen bewusst geworden, dass er seine Kollegin aus den Augen verloren hatte. Allerdings wagte Winnie nicht, etwas zu tun, das ihn auf sie aufmerksam machte. Je länger sie ihr Inkognito zu wahren verstand, desto größer waren ihre Chancen, so nahe wie möglich an den Verdächtigen heranzukommen.
    Aber wo, zur Hölle, steckte dieser Kerl?
    Müsste sie ihn nicht eigentlich längst sehen können?
    So bereitwillig die Leute ihr bislang Platz gemacht hatten, so stur schienen sie ihr jetzt den Weg versperren zu wollen. Einige der Entgegenkommenden versuchten, ihr vermeintliches Vorfahrtsrecht mit finsteren Blicken und sturem Vorwärtsgang durchzusetzen. Winnie Heller flüsterte »Entschuldigung«, und als das nichts half, drängte sie sich mitten durch eine Gruppe von Frauen, die sich angeregt unterhielten und
ihr dabei formvollendet die Sicht nahmen. Ein spitzer Absatz bohrte sich in ihren Fuß, als sie eine der Frauen entschlossen zur Seite schob, doch das ignorierte sie einfach. Winnie roch Parfum, mindestens drei verschiedene Düfte, einer schwerer als der andere.
    Das macht diese verdammte Hitze, dachte sie, indem sie einen Anflug von Schwindel wegzublinzeln versuchte. Sie macht alles schwer wie Blei, Gerüche genauso wie Beine.
    Aber egal! Einfach weiter!
    Dort drüben war die Stelle, wo der Verdächtige gestanden hatte.
    Und da war auch die Frau mit dem Hut!
    Doch hinter ihr …
    Winnies Blicke jagten umher. Nein, keine Kamera. Kein Typ mit dunklen Haaren.
    Er hat dich gerochen. Und dann ist er abgehauen! 
    Sein Instinkt hat ihn vor dir gewarnt …
    Automatisch suchten ihre Augen weiter links, dort, wo der asphaltierte Hauptweg auf einen anderen, schotterbedeckten traf. Etwa fünfzig Meter weiter ragte eine Wand aus hohen Hecken in den verwaschenen Sommerhimmel. Winnie kniff die Augen zusammen. Sie hatte die Pläne der Friedhofsverwaltung, die Werneuchen verteilt hatte, genauestens studiert. Ganz abgesehen davon, dass sie sowieso oft hier war und sich entsprechend gut auskannte. Sie wusste, dass gleich hinter diesen Hecken ein anderer, ebenfalls asphaltierter Weg verlief. Von diesem Weg zweigten verschiedene andere ab. Ein Stück weiter nördlich führten ein paar Treppenstufen hinauf zu den Soldatengräbern. Auf das »Feld der Ehre«, oder wie man das nannte. Von dort gelangte man zwischen zwei Reihen riesiger Koniferen hindurch direkt zum Haupteingang. Kurstädtische Großzügigkeit, die jede Menge Möglichkeiten bot, unbemerkt zu entkommen.
    Winnie Heller beschleunigte ihre Schritte.
    Im Grunde gab es für den Mann, hinter dem sie her war, erst mal nur zwei Optionen. Es sei denn, dass er … Sie stutzte.
    Halt! Da! Unter den Bäumen! Das war der Kerl! 
    Er hatte sich bereits knapp zweihundert Meter von ihr entfernt. Und just in diesem Augenblick drehte er den Kopf und sah zu ihr herüber.
    Also hatte er den Braten tatsächlich gerochen!
    Er wusste, dass sie Polizistin war. Und er wusste auch, dass sie ihn jagte.
    Okay, fein. Dann konnten sie ja auch mit diesem albernen Versteckspiel aufhören!
    Sie schleuderte ihre Jacke von sich und rannte los. Im Laufen sah sie, wie sich der Mann, den sie verfolgte, seitwärts in die Büsche schlug. Dann war er aus ihrem Blickfeld verschwunden. Winnie wandte sich nach rechts, einem der Nebenwege zu. Ein paar hundert Meter, dann rannte auch sie querfeldein zwischen den Gräbern hindurch. Trotz des Ernstes der Lage

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