Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
auch nicht enttäuschen. »Ich hatte einen Molch«, entschloss sie sich zu einem Teilgeständnis.
Dominik zog seine Puttenstirn in eine Reihe von äußerst unwiderstehlichen Falten. »Einen was?«
»Molche sind Amphibien«, erklärte ihm Nina. »Das bedeutet, dass sie sowohl im Wasser als auch an Land leben.«
»O ja, allerdings«, bestätigte Winnie mit einem Anflug von Schuldbewusstsein. Sie hatte den Molch heimlich gekauft, nachdem sie monatelang für ein eigenes Haustier gespart hatte.
Und in der Zoohandlung war er in einem gewöhnlichen Aquarium untergebracht gewesen. Also hatte sie ihn zu Hause einfach in einen leeren Kanister gesetzt und Leitungswasser hineingefüllt, eine Maßnahme, die das Tier bedauerlicherweise nicht allzu lange überlebt hatte. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte es der Molch gerade einmal eine gute Woche bei ihr ausgehalten …
Nina Verhoeven hingegen schien zu spüren, dass ihr das Thema nicht behagte, und ging eilig zu einem anderen Gesprächsstoff über. »Julia hat letztes Jahr eine kleine Schwester bekommen«, sagte sie mit angewiderter Miene.
»Wirklich?« Angesichts des anstehenden Nachwuchses bei ihrem Boss bemühte sich Winnie um eine möglichst neutrale Haltung zur Schwester. »Und wie ist die so?«
»Rosa«, antwortete Verhoevens Tochter verächtlich.
» Ganz rosa«, ergänzte Dominik.
Winnie unterdrückte mit Mühe ein Lächeln, während Verhoeven neben ihr nachsichtig den Kopf schüttelte. »Und wie äußert sich diese … Rosaheit?«
»Sie hat einen dicken rosa Rock an, wenn sie Krach macht«, erklärte Nina ernsthaft.
»Der kratzt«, setzte Dominik hinzu.
»Musikgarten und Tüll«, nutzte Verhoeven eine Atempause der beiden für ein paar knappe Erläuterungen zu den Themenbereichen KRACH und ROCK. »Und da es sich um eine musische Frühbildungsmaßnahme handelt, bei der die Kinder nicht nur besungen werden, sondern auch kleine Bewegungsspiele machen, findet es Julias Mutter angebracht, dass ihre Tochter dabei ein Tutu trägt.«
»So eins wie beim Ballett?«
Verhoeven nickte nur.
»Kann die Kleine denn überhaupt schon laufen?«, fragte Winnie, indem sie eilig zurückrechnete.
Julia hat letztes Jahr eine kleine Schwester bekommen …
»Michelle krabbelt und drischt mit den Fäusten auf Orff’sche Instrumente ein«, erklärte ihr Vorgesetzter.
»Und ihre Tasche ist auch rosa«, ergänzte seine Tochter.
»Und der Becher, aus dem sie trinkt, auch«, rief Dominik. »Und wenn sie Julia abholen, sitzt Michelle in einem rosa Wagen mit einer bunten Raupe dran. Die schnattert, wenn man dran zieht.«
»Klingt ja echt sympathisch«, befand Winnie amüsiert.
»Nein«, protestierte Nina, der die Ironie ihrer Bemerkung entgangen war. »Das klingt total doof.«
Dominik nickte beipflichtend. »Und wenn deine Schwester auch rosa wird«, fügte er, an Nina gewandt, hinzu, »dann geben wir sie gleich wieder zurück.«
Winnie Heller sah, wie Verhoeven neben ihr zusammenzuckte.
»Ach, sieh mal an, wir geben sie zurück, ja?«, fragte er, indem er den Kopf wandte und dem Kindergartenfreund seiner Tochter einen Blick zuwarf, der wohl tadelnd sein sollte, doch Dominik schien das nicht weiter ernst zu nehmen.
Im Gegenteil, er strahlte Verhoeven in missverstandener männlicher Kumpanei an. »Klar, ganz sofort.«
»Ich kriege aber einen Bruder und keine Schwester«, ereiferte sich derweil Nina. »Und der wird Fußballspieler. Und dann verdient er ganz viel Geld, und das gibt er uns dann, und dann kaufen wir ein Meer und bauen eine Stadt nur für Wale. Wo kein Schiff hinkommt. Und keine Menschen.«
»Wow«, sagte Winnie Heller. »Das ist aber … großzügig.«
»Sie hat diesen Greenpeace-Werbespot gesehen«, erklärte Verhoeven. »Sie wissen schon, den, wo Mario Adorf aus diesem Märchenbuch vorliest.«
Winnie Heller schenkte ihm ein verständnisloses Nicken.
»Und wenn mein Bruder noch mehr Geld verdient«, fuhr Nina voller Begeisterung fort, »dann bauen wir auch noch …«
»Ich fürchte, bevor er seine ersten Millionen mit Fußballspielen verdient, müssen wir ihn erst mal dazu kriegen, dass er läuft«, fiel Verhoeven ihr ins Wort. »Falls er überhaupt ein Er wird.«
»Ja, ja«, winkte seine Tochter ab. »Aber das geht schnell.«
»Na ja, schnell …«
» Ich konnte schon laufen, als ich auf die Welt kam.«
»Ich schon vorher«, erklärte Dominik, bevor Verhoeven die Chance hatte, seine Tochter zu korrigieren.
»Ab wann nehmen sie ihn
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