HMJ06 - Das Ritual
Familie umgebracht!«
Gia konnte nur nicken, während sie in den Flur hinaustrat. Sie war unfähig, ein Wort hervorzubringen, ihre Kehle schien mit einem unsichtbaren Band zugeschnürt zu sein, das sich mehr und mehr zusammenzog.
5
»Wissen Sie, Freddy«, sagte Eli, »ich kann durchaus verstehen, dass Sie mich für verrückt halten.«
Strauss war mit Neuigkeiten über seine Ermittlungen vorbeigekommen – er zog es vor, persönlich zu berichten statt per Telefon. Aber Eli war viel mehr daran interessiert, diesem geckenhaften Cop, der glaubte, alles besser zu wissen, die Leviten zu lesen.
Strauss erstarrte. »Ich habe nie …« Der drahtige Polizist wandte sich zu Adrian um und warf ihm einen wütenden Blick zu. »Wie ich sehe, hat jemand die Klappe nicht halten können.«
»Genau das hatten Sie doch gewollt, wenn ich mich nicht irre.«
»Hören Sie, Sie müssen verstehen …«
»Was ich verstehe, Detective Strauss, ist, dass Sie ein treuloser Zeitgenosse sind. Ich biete Ihnen praktisch die Unsterblichkeit an, und wie werde ich belohnt? Indem Sie sich hinter meinem Rücken das Maul zerreißen. Ich denke ernsthaft darüber nach, den Zirkel aufzulösen und allein weiterzumachen, wie ich es vorher immer getan habe.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein!«, protestierte Strauss. »Nur wegen einer harmlosen Bemerkung, die ich zufällig …«
»Mehr als eine harmlose Bemerkung! Sie richtet sich gegen die Integrität des Zirkels!«
Eli schloss aus Strauss’ Gesichtsausdruck, dass er auf keinen Fall für das Auseinanderbrechen des Zirkels verantwortlich gemacht werden wollte. Man konnte sich gut vorstellen, was die anderen Mitglieder mit ihm täten. Doch Trotz schlich sich in seine Miene. Er straffte seine schmalen Schultern und funkelte Eli wütend an.
»Ich habe Sie überprüft, Eli«, sagte Strauss jetzt. »Verdammt, ich habe Sie ein halbes Dutzend Mal durchleuchtet, von allen Seiten, und nirgendwo habe ich Hinweise darauf gefunden, dass Sie nicht 1942 in Brooklyn geboren wurden.«
Eli lächelte. »Ich habe schließlich eine jahrhundertelange Erfahrung, meine Herkunft zu verschleiern. Ich bin in dem, was ich tue, sehr gut.«
»Das bin ich auch. Und glauben Sie bloß nicht, dass auch andere nicht die gleichen Überlegungen angestellt haben wie ich. Sie erzählen uns, Sie würden seit über zweihundert Jahren dieses schöne Leben führen, und dass Sie so gut wie unsterblich sind, solange Sie die Zeremonie abhalten. Und dann taucht irgendein Typ auf und sticht Sie mit Ihrem eigenen Messer an.«
»Ich habe Ihnen erklärt …«
»Ich weiß, was Sie mir erklärt haben, aber was soll ich von all dem halten? Was sollen die anderen denken?«
In der Tat, was?, dachte Eli.
Dem musste er einen Riegel vorschieben. Auf der Stelle.
Er wandte sich an Adrian. »Geh in die Küche und hol mir eins von den Fleischmessern.«
Adrian sah ihn mit einem seltsamen Ausdruck an, tat jedoch, was von ihm verlangt wurde, und kehrte mit einem zwölf Zentimeter langen Wüsthof-Trident-Culinar-Fleischmesser zurück. Es sah in Adrians großer Hand klein und harmlos aus. Eli nahm es ihm ab, fasste es am stumpfen Rücken der Klinge aus Karbonstahl und reichte es Strauss mit dem Griff voran.
»Nehmen Sie es.«
Strauss sah ihn unsicher an. »Warum?«
»Nehmen Sie es, und ich sage es Ihnen.«
Der Polizist zögerte, dann streckte er die Hand aus und ergriff das Messer. »Okay. Was nun?«
Eli knöpfte sein Oberhemd auf und entblößte seine Brust. »Und jetzt stechen Sie zu.«
»Eli!«, schrie Adrian. »Bist du verrückt geworden?« Er wandte sich an Strauss. »Hören Sie nicht auf ihn! Das ist die Wirkung der Schmerzmittel! Er ist nicht …«
»Du auch, Adrian?«, sagte Eli und empfand tiefes Bedauern. Hatte denn niemand mehr Vertrauen? »Du glaubst mir auch nicht?«
»Natürlich glaube ich dir!« Er wirkte jetzt ziemlich verwirrt. »Es ist nur …«
»Tun Sie es, Freddy. Tun Sie es jetzt. Ich verlange es. Und wenn Sie sehen, dass ich völlig okay bin, können Sie dem Rest Ihrer ungläubigen Truppe erzählen, dass Sie der Verrückte sind und nicht ich.«
Strauss wog das Messer in der Hand, sein Blick sprang zwischen der Klinge und Elis Brust hin und her. Eli hatte keine Angst. Er wusste, dass er für jeden Angriff von Strauss oder Adrian oder irgendjemand anderem unverwundbar war, außer von diesem geheimnisvollen Mann. Und dies würde der Beweis dafür sein.
Strauss machte einen Schritt auf ihn zu. Er presste die Lippen
Weitere Kostenlose Bücher