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Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Frech
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vor der Schule stand. Während er mit Herzklopfen den Wagen durch den Kreisverkehr in unmittelbarer Nähe der Polizisten lenkte, wagte er einen kurzen Blick zur Seite. Er bemerkte einen Polizeihund, der schwanzwedelnd an der Stelle verharrte, an dem er vor Tagen auf das Kind gewartet hatte.
    An der nächsten Einfahrt bog er rechts ab und parkte auf dem Seitenstreifen. Seine Hände zitterten vor Aufregung. Es gelang ihm nicht einmal, den Motor abzustellen. Erst nach ein paar Minuten ließ der pochende Herzschlag nach. Er rechnete jeden Augenblick damit, dass die Tür aufgerissen wurde. Aber niemand näherte sich dem Wagen. Schließlich fuhr er langsam weiter. Später musste er immer wieder an den Polizeibeamten denken, der nahe an der Straße gestanden hatte. Er war jung und hatte einen ernsten Blick. Aufmerksam und unberechenbar. Wie ein Luchs.
    Bestimmt würde am nächsten Tag ein Fahndungsfoto von ihm in der Zeitung abgebildet sein. Mitsamt einer Beschreibung seines Wagens und dem Kennzeichen. Dann wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihn festnehmen würden. Sollte er seinem Leben ein Ende setzen? Sich vor einen Zug werfen? Oder eine Überdosis der Medikamente spritzen, die er sorgsam in einem Lagerraum unter der Scheune verwahrte? Doch dann dachte er wieder an den Mann, dem er das alles zu verdanken hatte. Er spürte, wie die Wut in ihm hochstieg, wie Magensäure nach einem üppigen Mahl. Schließlich wurde die Angst vor einer Festnahme von einem immer stärker werdenden, blinden Hass verdrängt. Der Entschluss, seinen Plan zu Ende zu bringen, stand fest. Koste es, was es wolle.
    Auf der Rückfahrt nach Göppingen sprachen die beiden kaum. Moritz Kepplinger achtete auf den Verkehr und fasste in Gedanken die Ereignisse des Tages zusammen. Lea Thomann war müde, sie hatte ihren Kopf seitlich gegen die Nackenstütze gelehnt und die Augen geschlossen. Sie lauschten den Funkgesprächen der Dienststellen, die auf dem eingestellten Kanal kommunizierten. Eine Streife der Autobahnpolizei erkundigte sich, welcher Betrag dreihundert Euro in rumänischen Leu entspräche, die ein Lkw-Fahrer als Sicherheitsleistung bezahlen sollte. Das Polizeirevier entsandte eine Streife zu einem Auffahrunfall auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums.
    »Warst du mal im Streifendienst?«
    Leas Frage riss Moritz aus seinen Gedanken. »Nur ein paar Monate. Ich habe mich vom ersten Tag an unwohl gefühlt.«
    »Weshalb?«
    »Keine Ahnung. Mir war das irgendwie zu wenig. Vielleicht lag es daran, dass die Arbeit beim SEK jeden Tag immer wieder neue Herausforderungen geboten hatte. Am meisten hat es mich gestört, dass man die größeren Fälle an die zuständigen Stellen abgeben musste und in der Regel nicht mal erfahren hat, wie ein Verfahren vor Gericht ausging.«
    Während Moritz sprach, beobachtete Lea ihn. Als er das bemerkte, sah er ihr für einen Moment in die Augen.
    »Und du? Ich meine, arbeitest du gerne in der Schicht?«
    Er richtete seine Konzentration wieder auf den Verkehr.
    »Möchtest du die Wahrheit hören?«
    Moritz zögerte. »Äh … ja!«
    »Ich hasse den Job! Es ist immer dasselbe: Unfälle, Hausstreitigkeiten, Alkoholkontrollen. Aber das weißt du ja selbst. Ich verabscheue den Geruch des Polizeireviers, nach aufgewärmtem Kaffee, Zigarettenrauch, den Gestank in den Zellen und das dumme Geschwätz der Kollegen.«
    »So schlimm?«
    »Ich habe schon ein paarmal darüber nachgedacht aufzuhören.«
    Moritz konnte sie gut verstehen. Im Grunde genommen waren das dieselben Gründe, die ihn selbst dazu bewogen hatten, den Streifendienst zu verlassen. Er erinnerte sich daran, dass er bereits nach fünf Monaten die Nase voll hatte und zur Kriminalpolizei wechselte. Am Anfang musste er eine Zeitlang in der Asservatenkammer der Stuttgarter Kriminaltechnik arbeiten. Währenddessen wurde ihm eine Stelle im Drogendezernat angeboten. Zuerst hatte er abgelehnt, sich nach zwei Monaten aber doch für einen Wechsel entschieden und großen Gefallen an der Arbeit gefunden. Nur manchmal überkam ihn ein Gefühl der Ohnmacht, wenn er im Kampf gegen das Rauschgift den Eindruck hatte, gegen Windmühlen zu kämpfen. Stets verlagerten sich die Umschlagplätze, und die Zahl der Drogendealer schien sich mit jeder Festnahme zu vervielfachen. Zeitweise konnte er den Anblick der abhängigen, oft minderjährigen Mädchen und Jungen nicht mehr ertragen, die ihren kaputten Körper für wenige Euro in den Parks und Hausecken der Stadt an irgendwelche

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