Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
zu überwältigen und in den Wagen zu schaffen. Jetzt schlief sein Widersacher auf dem Beifahrersitz, und er hatte alle Zeit der Welt. Vorsichtshalber setzte er seinem Opfer eine Wollmütze auf und zog sie ihm tief ins Gesicht. Ein süffisantes Lächeln huschte über sein Gesicht. Selbst wenn die beiden Polizeibeamten wieder aufkreuzen würden, um nach ihm zu suchen, würden sie ihn nicht finden. Die Notiz der Polizisten auf dem Wohnzimmertisch hatte er selbstzufrieden zur Kenntnis genommen. Gerd Jessen gehörte jetzt ihm. Die Macht, die er gegenüber seinem Erzfeind spürte, versetzte ihn in eine Art Rausch.
Entgegen seinem Plan wählte er den Weg, der an der Schule vorbeiführte, an der er das Mädchen in seinen Wagen gelockt hatte. Anschließend fuhr er zu dem Parkplatz, auf dem er sie getötet hatte.
Jessen schlief tief und fest. Sander stellte den Motor ab und wartete. Irgendwann wird er aufwachen und begreifen, weshalb wir hier sind, dachte er. Wenn ich danach mit ihm weiterfahre, wird er verstehen, dass er eine Reise macht, von der er nicht wieder zurückkehren wird.
Vorsichtshalber fesselte er die Hände seines Opfers mit einem Seil an dessen Oberschenkel. Er wollte kein Risiko eingehen für den Fall, dass die Wirkung des Medikaments nachließ.
Auf der Rückfahrt nach Göppingen versuchte Markus Ackermann einen der Kriminaltechniker zu erreichen. Währenddessen veranlasste Moritz Kepplinger über Funk, dass die Kollegen auf der Dienststelle über den Netzbetreiber die Aufenthaltsdaten von Sanders Mobiltelefon herausfinden sollten. Die Fahndung nach Sander war bereits angelaufen. Allerdings kämpften die Kollegen des Streifendienstes mit unzähligen Unfällen und Schadensmeldungen, die sich durch das Unwetter ereignet hatten, und konnten nur am Rande unterstützen. Es würde schwierig werden, den vermeintlichen Mörder auf zuspüren. Markus Ackermann steckte enttäuscht das Mobiltelefon in die Jackentasche.
»Ich erreiche keinen einzigen von den Jungs«, sagte er verärgert.
»Kannst du die Ortungssoftware notfalls alleine bedienen?«, erkundigte sich Moritz. Sein Kollege zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Ich habe nur einmal mit dem Programm gearbeitet.«
»Du musst es auf jeden Fall versuchen.«
Kepplinger konzentrierte sich wieder darauf, den Wagen auf der Straße zu halten. In den Fahrrillen hatten sich bereits tiefe Wasserpfützen gebildet. Immer wieder blinkte die oran gefarbene Kontrollleuchte neben dem Tachometer. Er nahm den Fuß vom Gaspedal. Doch plötzlich verloren die Räder den Kontakt zur Fahrbahn. Der Wagen driftete nach links. Kepplinger versuchte gegenzulenken, doch das Fahrzeug reagierte nicht.
»Was machst du?«, rief Lea Thomann erschrocken, während der Wagen unaufhaltsam auf die Leitplanke zuschlingerte. In dem Moment, als die Vorderräder den schmalen Grünstreifen erreichten, reagierte das Fahrzeug. Das Heck des Wagens knallte gegen die Leitplanke und schleuderte quer über beide Fahrbahnen auf die gegenüberliegende Standspur zu.
Langsam kam er zu sich. Sein erster Gedanke war, dass er wieder zu viel getrunken und deswegen diese Kopfschmerzen hatte. Dann spürte er den strammen Zug der Reepschnur um seine Handgelenke. Völlig verwirrt versuchte er, sich von den Fesseln zu befreien. Er zitterte vor Panik und hörte erst auf, als sich die Fasern des Seils blutrot färbten. Die Schmerzen vertrieben die letzten Nebelfetzen um seinen Verstand. Er sah sich verzweifelt um, bis ihm klar wurde, dass er sich in einem Fahrzeug befand. Er erschrak, als er plötzlich erkannte, dass jemand neben ihm saß. Wie regungslos dieser Mann mit stierem Blick durch die Scheibe starrte, eine Baseballmütze tief in die Stirn gezogen.
Er wagte nicht, ihn anzusprechen. Allmählich bekam er eine Ahnung von dem, was geschah und fürchtete sich, dass sich seine Vermutung bestätigen würde. Noch einmal zerrte er grob an den Fesseln. Aber der Schmerz war so stark, dass er bald wieder davon abließ. Auf seiner Hose hatte sich ein handgroßer Fleck gebildet. Er spürte die Wärme des Bluts auf der Haut. Endlich begann der Mann zu sprechen.
»Weißt du, warum wir hier sind?« Die tiefe Stimme klang furchteinflößend. Gerd Jessen kam sie bekannt vor, und im selben Augenblick wurde ihm bewusst, wer neben ihm saß. Er begann am ganzen Körper zu zittern.
»Ich habe dich gefragt, ob du weißt, warum wir hier sind?« Der Mann klang nun schon deutlich wütender. Die Worte glichen Nadelstichen.
»Erich,
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