Hochzeit im Herbst
unersetzbare Managerin des MacKade-Inn.”
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen.” Cassie nahm ihre Hand vom Geländer und hielt sie Rebecca hin.
„Und ich freue mich schon seit Wochen auf diesen Besuch. Das muss ein recht aufreibender Job sein, dieses Hotel hier zu führen.”
„Mir kommt es überhaupt nicht wie Arbeit vor. Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause hier, Rebecca. Ich nehme an, Sie möchten sich erst einmal in aller Ruhe umsehen, stimmt’s?”
„Oh ja. Ich sterbe vor Neugier.”
„Ich will nur noch rasch oben die Zimmer fertig machen. Sagt mir Bescheid, wenn ihr etwas braucht. In der Küche ist frischer Kaffee, und ein paar Muffins sind auch noch vom Frühstück übrig.”
„Das dachte ich mir.” Regan lachte und fuhr Ally zärtlich mit der Hand über das dunkle Haar. „Gönn dir doch eine Pause, Cassie, und trink eine Tasse Kaffee mit uns. Rebecca lechzt nach ein paar Geschichten, erzähl ihr doch bitte einige.”
„Nun, ich …” Cassies Blick schweifte die Treppe nach oben, ganz offensichtlich machte sie sich Sorgen über die ungemachten Betten.
„Ich bin wirklich schon sehr gespannt”, schaltete sich Rebecca ein.
„Regan hat mir erzählt, dass Sie einige recht seltsame Erlebnisse hatten. Ich würde sehr gern Näheres darüber erfahren. Stimmt es, dass Sie tatsächlich einen Geist gesehen haben?”
„Ich …” Cassie errötete. Hier handelte es sich um etwas, das sie nicht jedem erzählte – und das nicht etwa deshalb, weil das Erlebnis so merkwürdig gewesen war, sondern weil es sich um eine sehr persönliche Angelegenheit handelte.
„Ich habe vor, meinen Aufenthalt dazu zu nutzen, diese Geschichten aufzuschreiben.”
„Ja. Ich hab’s schon gehört.” Cassie holte tief Luft. „Ich habe den Mann gesehen, den Abigail Barlow geliebt hat. Er hat zu mir gesprochen.”
Faszinierend, dachte Rebecca ein ums andere Mal, während sie zu dritt durchs Haus gingen und Cassie ihre Geschichte mit ruhiger, leiser Stimme erzählte. Es war eine tragische Geschichte von Liebe und Tod. Angesichts der Vorstellung von ruhelos umherwandernden Geistern überlief Rebecca ein Schauder, aber sie verspürte nicht die tiefe Verbundenheit, die sie nach ihrem gestrigen Erlebnis auf der Herfahrt erwartet hatte. Interesse, das wohl, und auch brennende Neugier, aber keine Vertrautheit.
Später, als Rebecca allein durch den Wald wanderte, gestand sie sich ein, dass sie gehofft hatte, eine tiefe persönliche Erfahrung zu machen, etwas zu sehen oder zumindest zu spüren, für das es auf den ersten Blick keine rationale Erklärung gab. Sie nährte ihr Interesse an Übersinnlichem schon eine ganze Weile, doch bis jetzt war alles nur Fantasie. Langsam wurde Rebecca ungeduldig. Bisher war es ihr nur in ihren Träumen gelungen, sich aus der existierenden Welt fortzustehlen und in weite Fernen zu entrücken.
Das Haus, in dem sie eben gewesen war, bewahrte ein Geheimnis aus lang zurückliegender Zeit in sich, das sich nur dem öffnete, der auf ganz bestimmte Weise zu sehen, zu hören und zu fühlen verstand. Sie aber hatte nur die schöne Oberfläche gesehen, es war ihr nicht gelungen, tiefer einzudringen. Die Geister oder was auch immer es sein mochte, das in diesem Haus herumspukte, hatten sich ihr nicht zu erkennen gegeben.
Doch sie durfte die Hoffnung nicht aufgeben. Ihre Ausrüstung würde heute eintreffen, und Cassie hatte ihr für die nächsten paar Tage im Inn ein Zimmer angeboten mit der Zusicherung, dass sie mehr als will kommen sei.
Noch war nicht alles verloren. Sie würde forschen, so lange forschen, bis das Haus auch ihr sein Geheimnis preisgab.
Hier irgendwo hatten die beiden jungen Soldaten aufeinander geschossen. Sie lauschte angestrengt, aber sie vernahm weder das Krachen von Gewehrsalven noch Schmerzensschreie. Sie hörte nur das Zwitschern der Vögel, Blätterrascheln, verursacht von eilig herumhuschenden Eichhörnchen auf der Suche nach Nüssen, und das leise Summen der Insekten. Kein Lüftchen regte sich.
Sie folgte Cassies präziser Beschreibung und erreichte die Stelle, an der die beiden Soldaten aufeinandergetroffen waren. Dort ließ sie sich auf einem Felsblock nieder, nahm ihr Notizbuch aus ihrer Handtasche und begann ihre Gedanken niederzuschreiben: „Heute hatte ich lediglich ein paar ganz leichte Deja-vu-Erlebnisse.
Nichts, was dem vergleichbar wäre, was ich gestern in der Nähe der MacKade-Farm empfunden habe. Es ist wundervoll, endlich wieder einmal mit Regan zusammen zu
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