Hochzeit im Herbst
Sache einfacher machen. Er schien nicht zu arbeiten. Er wartet nur darauf, dass du endlich aus dem Haus bist, dachte sie. Nun, dann würde er noch einige Zeit warten müssen. Sie war entschlossen, das Haus nicht zu verlassen, ehe der Tag vorbei war.
„Wo bist du, Sarah?”, flüsterte sie vor sich hin, während sie in der Küche, die ihr plötzlich wie eine Gefängniszelle erschien, auf und ab ging.
„Du wolltest, dass ich hierherkomme. Ich weiß, dass du es wolltest.
Warum?”
Als sie am Fenster vorüberkam, schaute sie wieder hinaus. Shane ging gerade über den Hof in den Gemüsegarten, wo er Herbsttomaten und anderes Gemüse angepflanzt hatte. Jetzt blieb er stehen und überprüfte irgendetwas. Wahrscheinlich schaute er nach, ob die Tomaten schon reif waren.
Es tat weh, ihn zu sehen. Mit noch mehr Schmerz allerdings erfüllte es sie, den Blick abzuwenden. Hatte sie ernsthaft geglaubt, sie könnte die Erfahrung, die sie gemacht hatte, einfach so mir nichts, dir nichts abschütteln?
Nein, sie würde nie, nie darüber hinwegkommen.
Als er sich wieder aufrichtete, wandte sie sich ab. Nein, sie konnte nicht bis zum Abend warten. Es war zu grausam. Sie würde noch ein letztes Mal zu ihm gehen, mit ihm sprechen, und dann würde sie sich auf den Weg machen.
Ihre Ausrüstung konnte sie abholen lassen. Sie wollte einen Abgang mit Würde. Auf zu Regan, sagte sie sich. Jetzt sofort nach New York zurückzufliegen würde zu überstürzt wirken. Es war sinnlos, Shane Schuldgefühle einjagen zu wollen, ihn wissen zu lassen, dass er ihr das Herz gebrochen hatte.
Lass ihn denken, dass es auch für dich nicht mehr als ein kleines Abenteuer war. Eine nette Zeit, die jetzt zu Ende ging.
Sie würde nie wieder hierher zurückkommen. Sie blieb am Fuß der Treppe stehen und presste sich eine Hand auf den Mund, während ihr Blick durch den Flur schweifte und auf der Küchentür haften blieb. Nie mehr.
Nicht mehr in diese Stadt, nicht mehr in dieses Haus …
Der Eintopf brodelte leise vor sich hin. In der Ferne rollte Kanonendonner …
Mit weichen Knien lehnte Rebecca sich gegen die Wand, als sich die Tür öffnete. Sie wusste, dass es Shane war. Sie erkannte seine Gestalt, seinen Gang, sogar seinen Geruch. Doch ihr inneres Auge sah einen Mann, der einen blutüberströmten Körper hereinschleppte …
„Mein Gott, John, ist er tot?”
„Noch nicht.”
„Leg ihn auf den Tisch. Ich brauche Handtücher. Oh mein Gott, so viel Blut. Beeil dich. Er ist so jung, ein halbes Kind noch.”
„Wie Johnnie.”
Ja, genau wie Johnnie. Jung, verblutend, sterbend. Seine Uniform war schmutzig und von Blut durchtränkt. Als sie ihm vorsichtig die Jacke auszog, hörte sie es in seiner Tasche rascheln.
Ein Junge. Zu viele Jungen starben derzeit…
Rebecca sah die Szene in der Küche genau vor sich. Das Blut, den jungen Soldaten, den Mann und die Frau, die versuchten, sein Leben zu retten.
Dann hatte Sarah plötzlich den Brief in der Hand, einen Brief, der schon tausendmal gelesen worden zu sein schien. Die Worte sprangen ihr förmlich entgegen …
Lieber Cameron … „Sie haben alles versucht, aber sie konnten sein Leben nicht retten”, sagte Shane vorsichtig.
„Ja.” Rebecca, die den Atem angehalten hatte, atmete jetzt hörbar aus.
Dann presste sie die Lippen aufeinander. „Sie haben alles versucht.”
„Zuerst sah er nur die Uniform. Den Feind. Er triumphierte, dass ein Yankee hier auf seinem Grund und Boden verblutete. Doch als er dem Jungen ins Gesicht schaute, sah er seinen Sohn vor sich. Deshalb brachte er ihn ins Haus. Mehr konnte er nicht tun.”
„Er hat richtig gehandelt. Er hat sich verhalten wie ein Mensch.”
„Sie wollten, dass der Junge überlebt, Rebecca. Sie wollten ihm helfen.”
„Ich weiß.” Ihr Atem kam stoßweise. „Sie haben mit aller Kraft um sein Überleben gekämpft. Den ganzen Tag, die ganze Nacht hindurch sind sie nicht von seiner Seite gewichen. Sie saßen bei ihm und beteten. Hörten ihm zu, wenn er etwas zu sagen versuchte. Shane, sie hätten es niemals über sich gebracht, nicht wenigstens den Versuch einer Rettung zu unternehmen.”
„Aber sie haben den Wettlauf gegen den Tod verloren.” Shane machte einen Schritt auf sie zu. „Und für sie war es, als würden sie ihren Sohn ein zweites Mal verlieren.”
„Wenigstens war es ihm vergönnt, nicht mutterseelenallein zu sterben.”
„Sie haben ihn zusammen mit dem Brief von seiner Mutter begraben.”
„Der Brief. Es waren zwei
Weitere Kostenlose Bücher