Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hochzeit im Herrenhaus

Hochzeit im Herrenhaus

Titel: Hochzeit im Herrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Ashley
Vom Netzwerk:
nahe. Wann immer Seine Lordschaft in die Hauptstadt fuhr, wurde er von Wilks begleitet. Und in London hatte er oft genug den Frauentyp gesehen, an dem der Viscount Gefallen fand.
    Ohne jeden Zweifel schätzte Seine Lordschaft hinreißende Blondinen. Alle seine Geliebten – und im Lauf der Jahre hatte es mehrere gegeben – waren als anerkannte Schönheiten bezeichnet worden. Sogar seine “Flirts”, die sein Bett nur
vielleicht
geteilt und ihn ins Theater oder zu bedeutsamen gesellschaftlichen Ereignissen begleitet hatten, waren fashionable, weltgewandte Damen gewesen – keine unschuldigen jungen Mädchen, die womöglich den Grund missverstehen würden, warum sie die besondere Aufmerksamkeit des Viscounts erregten.
    Und das musste man befürchten, falls man glauben durfte, was neuerdings die Klatschmäuler in diesem Haushalt faszinierte. Solche Gedanken beschäftigten Wilks, dann sprang er auf das hintere Trittbrett des Phaetons, nachdem Lord Greythorpe die Zügel ergriffen hatte. Erstaunlicherweise war es der Hausherr, der wünschte, dass Miss Milbank noch länger verweilte.
    Während Wilks den eleganten Zylinder seines Herrn anstarrte, fand er das Benehmen Seiner Lordschaft höchst merkwürdig. Nur ganz selten duldete dieser Gentleman Frauen an seiner Seite, wenn er den Phaeton lenkte. Und noch seltener machte er dabei Konversation.
    Noch erstaunlicher – die junge Dame, die neben ihm saß, beantwortete alle Fragen ohne Zaudern, und was sie sagte, schien ihn sogar zu interessieren. Jedenfalls hörte er ihr, wenn Wilks die Situation richtig deutete, nicht nur aus Höflichkeit zu.
    Seine Verblüffung sollte noch wachsen. Am Ziel angekommen, postierte er sich bei den Köpfen der Pferde und fand die Vermutung bestätigt, Miss Milbank müsse eine außergewöhnliche Frau sein. Denn sobald sie vom Wagen gestiegen war, fragte sie ihn nach dem Zustand des rotbraunen Jagdpferds, das Seine Lordschaft an jedem verhängnisvollen Tag geritten hatte.
    “Obwohl das arme Tier so lange im kalten Wind gestanden hat, ist es nicht krank geworden, Miss”, versicherte er. Hatte er jemals ein netteres Lächeln gesehen? Und so natürlich …
    “Oh, das freut mich”, beteuerte sie, und ihre Erleichterung wirkte tatsächlich echt. “Es wäre schrecklich, wenn es einen ernsthaften Schaden erlitten hätte. So ein schönes Tier! Da ich aus den Shires stamme, verstehe ich einiges von Pferden. Und ich habe schon viele edle Jagdpferde gesehen.”
    Auch die freundliche Geste, mit der sie die Hälse des Gespanns tätschelte, verriet dem Reitknecht, wie sehr sie seine Lieblingstiere schätzte. “Kommen Sie doch mal in den Stall, Miss, und schauen Sie sich die anderen Pferde an. Lauter erstklassige Vollblüter.”
    Interessiert belauschte Deverel Greythorpe das kurze Gespräch und beobachtete, wie ein schiefes Grinsen dem wettergegerbten Gesicht seines vertrauenswürdigen Dienstboten noch mehr Falten verlieh. Wenn ein pedantischer, steifer alter Knochen wie Dunster dem ungekünstelten, bezaubernden Charme und dem gewinnenden Lächeln der jungen Dame erlag, würden ihr nur wenige Mitglieder des männlichen Geschlechts widerstehen.
    Nun kauerte sie auf ihren Fersen. Voller Eifer inspizierte sie eine Stelle am Straßenrand, dann erhob sie sich abrupt und drehte sich um. Dabei glitt die Kapuze des pelzbesetzten Capes von ihrem Kopf und enthüllte glänzende kastanienbraune Locken, im Nacken von einem roten Satinband umwunden.
    Greythorpe wusste ganz genau, dass seine beschleunigten Atemzüge nicht mit dem plötzlichen Windstoß zusammenhingen, der diese Lockenpracht zerzauste und einzelne Strähnchen gegen die sanft gerundeten Wangen wehte. Ungeduldig schob Annis ihr Haar beiseite und spähte in den Wald auf der anderen Straßenseite. In ihrer Konzentration merkte sie nicht, in welch fesselnden Bann sie den Viscount zog.
    “Tut mir leid, Miss Milbank, ich war mit meinen Gedanken ganz woanders”, entschuldigte er sich, als sie ihn ein zweites Mal ansprach und erwartungsvoll musterte. “Eh – was sagten Sie?”
    “Ich wollte wissen, ob Sie sich an jenem Tag verfolgt fühlten, während Sie in der Stadt waren oder auf dem Heimritt.”
    Nur aus reiner Höflichkeit erweckte er den Anschein, über die Frage nachzudenken. Er glaubte immer noch, er wäre das zufällige Opfer eines Diebs geworden, den Miss Milbanks rechtzeitige Ankunft daran gehindert hatte, seine Missetat zu vollenden. “Nein, es war ein ganz normaler Dienstag, allerdings teuflisch

Weitere Kostenlose Bücher