Hochzeit im Herrenhaus
seiner Kindheit war er mit Lord Fanhope befreundet. Deverel hat nie mit mir darüber gesprochen, also weiß ich nicht, was er davon hält. Jedenfalls zieht er Caroline ihrem Bruder vor.”
“Wohl kaum ein ausreichender Grund, um eine Ehe zu erwägen …”, bemerkte Annis trocken.
“O Sarah, heißt das etwa, Cousin Deverel würde ernsthaft überlegen, ob er
diese
Frau heiraten soll?”, rief Louise entsetzt. “Wenn sie die nächste Viscountess Greythorpe wird, hättest du in diesem Haus nichts mehr zu lachen. Weißt du noch, wie sie letzte Woche hier auftauchte und behauptete, die Köchin müsste die Lammkeule länger braten? Dann warf sie dir auch noch vor, du würdest die Dienstboten zu nachsichtig behandeln.”
Halbherzig versuchte Sarah die Nachbarin zu verteidigen, aber ihr Protest stieß auf taube Ohren.
“Nach meiner Ansicht eignet sie sich nicht zur Gemahlin eines Viscounts”, fuhr das Mädchen in entschiedenem Ton fort. Seit Annis’ ermutigender Anwesenheit sprach Louise viel öfter aus, was sie dachte. “Sobald sie als Herrin hier einzieht, wird sie dich herumkommandieren.”
“O nein”, entgegnete Sarah. “Dazu wird es nicht kommen, denn ich werde das Haus verlassen, wenn Deverel eine Braut heimführt. Tante Beatrice hat mir vorgeschlagen, bei ihr in London zu wohnen.”
Als Louise eine Grimasse schnitt, ahnte Annis, dass auch Tante Beatrice nicht zu den liebsten Menschen der jungen Dame zählte. Diese Meinung schien Sarah nicht zu teilen – und trotz ihrer zurückhaltenden Scheu genau zu wissen, was sie wollte. Niemals würde sie zu jemandem ziehen, den sie nicht mochte. Andererseits wäre eine Übersiedlung in die Hauptstadt eine schlechte Wahl für eine Frau, die das ruhige, schlichte Leben auf dem Lande schätzte. Oder hoffte sie mit ihren achtundzwanzig Jahren immer noch auf eine Ehe? In dieser Gegend würde sich vermutlich kein Heiratskandidat finden, sonst hätte Sarah schon längst einen annehmbaren Antrag erhalten.
Falls sie in London keinen geeigneten Gentleman kennenlernen würde – könnten sich in der beschaulichen Kurstadt, wo Lady Pelham lebte, bessere Möglichkeiten bieten? Bath lockte viele Witwer und Männer an, die ihre erste Jugendblüte hinter sich hatten und eine geruhsame Atmosphäre der geschäftigen Hauptstadt vorzogen.
“Verzeih mir, dass ich mich einmische, Sarah …”, begann Annis. “Aber ich fürchte, in London würdest du dich nicht wohlfühlen. Vielleicht wärst du in einer Kurstadt besser aufgehoben, zum Beispiel in Tunbridge Wells? Oder in Bath? Ich glaube, du wirst dich gut mit Helen verstehen. Und es gibt niemanden, der meine Patentante, Lady Pelham,
nicht
mag. Außerdem würdest du in Bath vielen netten Leuten begegnen. Übrigens, auch ich will mich dort niederlassen.”
Interessiert hob Sarah die Brauen, doch es war Louise, die überschwengliche Begeisterung zeigte. “Oh, ich fände es wunderbar, wenn ihr beide in Bath leben würdet!” Wie ein aufgeregtes Kind klatschte sie in die Hände. “Nächstes Jahr möchte Mama mit mir hinfahren, um mich auf meine erste Saison in London vorzubereiten.”
“Nun, dann ist es sehr vorteilhaft, dass du zur Fanhope-Party eingeladen und gebeten wurdest, auf dem Pianoforte zu spielen”, meinte Sarah. “Je früher du dich daran gewöhnst, deine beträchtliche Begabung vor einem größeren Publikum zu beweisen, desto besser – und desto selbstbewusster wirst du in der Hauptstadt auftreten.”
“Da hast du recht”, seufzte Louise. “Ich wünschte nur, ich müsste nicht vor Caroline spielen. Natürlich wird sie die Ohren spitzen, um mich bei jedem winzig kleinen Fehler zu ertappen.”
“Ja, da haben Sie wahrscheinlich recht, meine Liebe”, stimmte Annis zu. “Aber versuchen Sie, optimistisch zu denken. Sie werden nicht aufgefordert, etwas zu tun, das Ihnen missfällt, denn Sie sollen musizieren – nicht reiten. In einem Punkt muss ich Miss Fanhope allerdings beipflichten, obwohl ich ihre Methoden nicht anwenden würde. Zweifellos werden Sie Ihre Angst vor Pferden nur überwinden, wenn Sie in den Sattel steigen.”
“Mag sein”, gab Louise widerstrebend zu, bevor sich ihre Miene wieder erhellte. “Immerhin werden Sie uns zu der Party begleiten und mich ermutigen.”
Über diese Aussicht nicht sonderlich erfreut, zögerte Annis nicht, ihre Gefühle zu bekunden. “So gern ich Sie auch unterstütze, Louise – es passt mir nicht, wenn über meinen Kopf hinweg beschlossen wird, wie ich meine Zeit
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