Hochzeit im Herrenhaus
dass Rosie zu lebhaft für Sie ist? Sie braucht viel Auslauf, und Sie können keine langen Wanderungen mit ihr unternehmen – schon gar nicht, nachdem Sie sich den Knöchel verstaucht haben.”
“Ja, natürlich bin ich zu alt, um für sie zu sorgen”, gab Nanny Berry unumwunden zu, nicht im Mindesten gekränkt. “Gleichwohl muss ich mein Wort halten, denn ich versprach dem alten Ben Turner an seinem Sterbebett, ich würde mich um Rosie kümmern, bis ich jemanden finde, der sich besser dafür eignet. Schon in unserer Kindheit waren Ben und ich befreundet, Miss. Und ich weiß, wie sehr er seine Hündin liebte. Die Beste des Wurfs sei sie gewesen, meinte er. Genau wie ihre Mutter, die konnte eine Rose aus einer Jauchengrube herausriechen.” Seufzend hob sie die Schultern. “Seine Lordschaft würde meine Kleine nicht aufnehmen, weil sein Wildhüter zwei Hunde hält – riesengroße langhaarige Biester. Sobald sie den Spaniel sehen, würden sie ihn zum Frühstück verspeisen. Im Herrenhaus gibt’s keine Hunde mehr, seit Master Deverels Mutter gestorben ist. Also wäre es sinnlos, Miss Sarah zu fragen, ob sie Rosie zu sich holen würde. Ich glaube, sie mag keine Hunde. Bliebe nur der alte Colonel Hastie übrig. Und der geht nicht mehr zur Jagd …”
Um der unausweichlichen Frage zuvorzukommen, beteuerte Annis: “Tut mir leid, Nanny, ich kann Rosie auch nicht zu mir nehmen. Hätte ich ein eigenes Haus, wäre ich sofort dazu bereit. Sie ist wirklich ein Schatz. Aber ich lebe bei meiner Tante und meinem Onkel. Und die Tante macht sich nichts aus Hunden. Außerdem dürfte ich Rosie nicht frei herumlaufen lassen. Sonst würde sie die Schafe meines Onkels erschrecken oder die Hühner und Enten im Hof aufscheuchen …” Plötzlich hatte sie eine Idee. “Oh – zufällig weiß ich, wie sehr Helen Greythorpe für Hunde schwärmt. Immer wieder hat sie mir erklärt, sie würde sich irgendwann einen zulegen. Dagegen hätte Lady Pelham nichts einzuwenden. Noch heute werde ich den beiden schreiben und von Rosie berichten. Mal sehen, vielleicht finden wir ein neues Zuhause für das liebe Tier.”
Sobald Helen erwähnt wurde, vergaß Nanny Berry die Zukunft des Spaniels. Bis zu diesem Moment war ihr die enge Verbundenheit zwischen der Besucherin und dem jüngsten Mitglied der Familie Greythorpe nicht bewusst geworden. Und nun wollte sie alles über das letzte Baby erfahren, das sie betreut hatte.
Nur zu gern befriedigte Annis die Neugier der alten Frau. Doch sie konnte ihr den Gefallen nicht allzu lange erweisen, weil Sarah ins Cottage zurückkehrte – leicht derangiert, den Hut schief auf dem dunklen Haar. Erbost starrte sie das Tier an, das sie eine halbe Stunde lang gesucht hatte.
Annis verabschiedete sich von Nanny Berry und Rosie, die herzzerreißend winselte.
“Elendes kleines Biest!”, schimpfte Sarah, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen und mit ihrer Begleiterin die Richtung zum Pfarrhaus in Greythorpe Magna eingeschlagen hatte. “Nie wieder gehe ich mit Rosie spazieren!”
“Das war sicher sehr ärgerlich für dich, Cousine Sarah”, meinte Annis und unterdrückte ein boshaftes Lächeln. “Insbesondere, weil bei der vergeblichen Suche dein Hut verrutscht ist.”
Vorerst hätte sie den kleinen Hund aus ihren Gedanken verbannt, wäre kein klagendes Gebell an ihr Ohr gedrungen, als sie die Gartenpforte des nahe gelegenen Pfarrhauses erreichten.
“Ah, du hast Rosie doch noch gefunden!”, rief Louise arglos und eilte ihnen auf dem Gartenweg entgegen.
Hastig mischte sich Annis ein, bevor die normalerweise stets gefasste Sarah die Beherrschung verlieren konnte. “Keine Bange, ich bringe den Hund ins Cottage zurück.”
“Da komme ich mit”, verkündete Louise. “Ich möchte Sie nämlich um etwas bitten.”
“Was wollen Sie mit mir besprechen, das Sarah nicht hören soll?”, fragte Annis wenig später. Als sie die Antwort hörte, wünschte sie, sie hätte sich nicht danach erkundigt.
Bedrückt starrte sie den kleinen Spaniel an, der glücklich neben ihr dahinsprang. Wäre sie vernünftig, würde sie Greythorpe Manor noch am selben Tag verlassen, bevor sie noch tiefer in die Probleme seiner Bewohner verstrickt wurde. Leider durfte sie nicht flüchten, weil sie Louises Drängen soeben nachgegeben und versprochen hatte, die Fanhope-Party zu besuchen. Doch sie wollte Lord Greythorpe möglichst bald mitteilen, sie würde nächste Woche abreisen.
An diesem Vormittag war der Viscount mit seinem
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