Hochzeit in Hardingsholm
herabhängenden Schultern und der müde Blick sprachen Bände.
»Gegen mich liegt eine Anzeige vor, weil ich angeblich mit verbotenen Substanzen behandeltes Holz einsetze«, wurde er jetzt deutlicher.
Hellen war schockiert. »Wer behauptet denn so etwas?«
Erik zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Jemand, der ein Interesse daran hat, dass ich pleitegehe? Das, was jetzt gerade passiert, spricht sich doch in Windeseile herum. Selbst wenn wir beweisen können, dass wir unschuldig sind, wird es schwierig sein, unseren guten Ruf wiederherzustellen.«
Hellen rührte seine Sorge zutiefst, und sie widerstand mit aller Macht dem Gefühl, ihm über die Wange zu streichen. »Sie haben es im Moment wirklich nicht leicht«, sagte sie ernst. »Erst die geplatzte Hochzeit, jetzt das hier. Ich wünschte, ich könnte Ihnen irgendwie helfen.«
»Aber das machen Sie doch gerade«, sagte er leise. Ihre Blicke verfingen sich ineinander, sie spürte seine Gegenwart mit all ihren Sinnen.
»Ja«, sagte sie ebenso leise.
Es dauerte eine ganze Weile, bis es ihr gelang, den Blick von ihm zu lösen. Dann wandte sie sich entschlossen ab und stieg ins Flugzeug. Als er neben ihr saß, war die Spannung in der kleinen Kabine sofort greifbar, sie steigerte sich bald bis zur Unerträglichkeit.
Hellen rettete sich in das, was sie am besten konnte: fliegen.
Wie im Lehrplan leierte sie im Geist all das herunter, was sie zu tun hatte. Die Kontrolle der Anzeige, das langsame Gleiten über das Wasser, Geschwindigkeit steigern, die Maschine hochziehen …
In der Luft ging es ihr besser, hier war sie in ihrem Element. Außerdem machte Erik es ihr leicht. Er schwieg während des Fluges, schien tief in Gedanken versunken, aber Hellen spürte, dass er sie hin und wieder ansah.
Nach der Landung verharrte er einen Moment still auf seinem Sitz. »Es ist wirklich so, dass die Dinge über dem Boden an Bedeutung verlieren«, sagte er langsam. »Die Probleme scheinen weit weg, man fühlt sich selbst schwerelos.«
»Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Hellen. Sie beobachtete, wie Erik seine Schuhe und Strümpfe auszog und durch das Wasser ans Ufer watete. Als er zwischen den Bäumen verschwand, fühlte Hellen sich plötzlich sehr einsam. Gleichzeitig hatte sie nun die Möglichkeit, noch einmal ernsthaft mit sich selbst ins Gericht zu gehen und sich klarzumachen, dass sie ihre Gefühle in den Griff bekommen musste.
Eine halbe Stunde wartete sie, bis Erik wieder erschien. Er war allein.
»Ich kann Lars nicht finden«, sagte er mit deutlicher Verzweiflung in der Stimme. »Er ist nicht in der Blockhütte, antwortet nicht auf mein Rufen.«
Hellen stieg aus der Maschine und stellte sich auf die Kufe, Erik kletterte neben ihr hinauf.
»Lars!«, rief er laut. »Lars, hörst du mich?«
»Vielleicht will er nicht gefunden werden«, sprach Hellen das aus, was ihr durch den Kopf ging.
»Das würde ihm ähnlich sehen«, sagte Erik bitter und rief gleich darauf noch einmal laut nach seinem Bruder.
»Lars … Lars!«
Nur das Rauschen der Wellen antwortete ihm, das leise Säuseln des Windes im Laub der Bäume am Ufer.
»Verdammt, Lars, wo bist du?«, flüsterte Erik mit hörbarer Verzweiflung.
»Lars!« Noch einmal schrie er den Namen seines Bruders laut heraus, geriet dabei ins Straucheln und drohte von der Kufe zu kippen.
Hellen griff nach ihm, verlor dabei aber selbst den Halt, und so fielen sie gemeinsam ins Wasser.
Sie klammerte sich im Fallen an ihn, und er hielt sie an sich gepresst. Wieder spürte Hellen seine Gegenwart mit dieser unglaublichen Intensität, wie sie es noch nie mit einem Mann erlebt hatte.
Das Wasser war seicht, doch er ließ sie nicht los, zog sie noch fester an sich. Hellen sah, dass sein Mund sich ihrem näherte, sein Gesicht war dem ihren ganz nah. Nein, das hier geht einfach nicht, meldete sich der letzte Rest ihres Verstandes, du darfst dieser Faszination, die der Mann auf dich ausübt, der Magie des Augenblicks nicht erliegen …
… und dann spürte sie seinen Mund auf ihren Lippen, seine Hand in ihrem nassen Haar. Als er leise aufstöhnte, gab sie ihren Widerstand auf und erwiderte seinen Kuss mit zügelloser Leidenschaft …
»Hallo!«
Der laute Ruf ließ sie beide auseinanderfahren. Hastig standen sie auf, wagten es nicht, einander anzuschauen, und im nächsten Moment trat auch schon Lars zwischen den Bäumen ans Ufer.
»Habe ich doch richtig gehört«, rief er ihnen zu und betrachtete sie belustigt. »Was macht ihr
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