Hochzeit in Hardingsholm
hier? Und wieso seid ihr beide klitschnass?« Das Grinsen auf seinem Gesicht wurde breit. »Seid ihr hierher geschwommen?«
»Sehr witzig«, konterte Erik. »Wir müssen sofort zurückfliegen. Ich brauche dich in der Firma, wir haben große Probleme.«
Er watete ans Ufer, während er Lars die Geschehnisse der letzten Stunden erläuterte. Lars machte sich sofort auf den Weg zur Hütte, um seine Sachen zu holen. Erik begleitete ihn und überredete auch Hellen, mitzukommen, um sich in der Hütte trockene Sachen anzuziehen.
»Es sind nach den Sommerferien immer Kleidungsstücke in den Schränken hängen geblieben«, sagte er. »Sie werden schon etwas finden, was Ihnen passt.«
Hellen lächelte unsicher. Sie fühlte sich befangen nach diesem Kuss, verunsichert, und hätte zu gerne gewusst, was jetzt in ihm vorging. War er wirklich so unberührt, wie er Lars gegenüber glauben machte, oder war Erik einfach ein Meister darin, sich nichts anmerken zu lassen?
Lars lauschte Eriks Schilderung aufmerksam und stellte ab und zu Zwischenfragen.
Hellen war erstaunt zu hören, dass er Jurist war, niemals hätte sie vermutet, dass ein Mensch wie Lars einen in ihren Augen so trockenen Beruf ergreifen würde. Irgendwie passte das nicht zu einem Mann, der sich allem entzog und sich auf die Suche nach Abenteuern machte. Der sich und das Leben offensichtlich nicht besonders ernst nahm. Zumindest hatte er diesen Eindruck bei ihr hinterlassen. Aber möglicherweise war es auch nur das, was er nach außen zeigte. Was wusste sie schon, wie es wirklich in ihm aussah?
Jetzt erlebte sie ihn von einer ganz anderen Seite. Er war ernsthaft und mit echtem Interesse bei der Sache, seine Rückfragen und Kommentare zeugten von fachlicher Kompetenz, soweit sie das beurteilen konnte. Hellen war schnell klar, dass die Firma sich in ernsthaften Schwierigkeiten befand.
Nach wenigen Minuten erreichten sie die Hütte. Sie war solide gebaut und weitaus größer, als der Begriff Hütte vermuten ließ, und doch fehlte es an allen grundlegenden Errungenschaften der modernen Zivilisation. Ein Badezimmer gab es nicht, und für die menschlichen Bedürfnisse war auf der Rückseite ein Häuschen erbaut, dessen Tür sogar ein Herz zierte. Es gab keinen Strom, kein fließendes Wasser. Letzteres musste aus einem Brunnen vor dem Haus geholt werden, der, so erklärte Erik ihr, im Sommer stets auch als Kühlschrank gedient hatte.
»Mein Vater hat einfach alles Verderbliche in einen Eimer gelegt und in den Brunnen gelassen. Das Wasser darin ist eiskalt.«
»Allerdings hat Papa es nicht immer geschafft, alles wasserdicht zu verpacken, bevor er es mit dem Eimer hinabließ«, ergänzte Lars lachend. »Erinnerst du dich noch an den Käse?«
»Oder die Butter, die Mama unbedingt zum Kochen brauchte?« Erik lachte jetzt auch, er schien zumindest für den Moment entspannt. Hellen bemerkte, dass sie die beiden Brüder zum ersten Mal überhaupt gelöst miteinander umgehen sah. Die Erinnerung an frühere, glückliche Zeiten schien sie einander näher zu bringen. Zumindest hatte Hellen den Eindruck.
Trotz des fehlenden Komforts konnte Hellen sich hier gut eine fröhliche, große Familie vorstellen, die den Sommer unbeschwert auf Drömsö verbrachte. Sie könnte sich sogar selbst vorstellen, Teil einer solchen …
»Wo finde ich etwas zum Anziehen?«, unterbrach sie ihre eigenen Gedanken.
Lars brachte sie in eines der Schlafzimmer und wies auf den Kleiderschrank. »Da sind bestimmt noch Sachen von Linn drin.«
Linn . Natürlich war auch sie hier gewesen. Mit Erik? Hatten die beiden hier romantische Tage und vor allem Nächte miteinander verbracht?
Hellen ignorierte das unangenehme Ziehen in ihrem Bauch, das diese Vorstellung in ihr verursachte. Sie hatte kein Recht auf solche Gefühle, während Linn jedes Recht hatte, hier mit Erik Zeit zu verbringen. Irgendwann würden sie Kinder haben, die Sommerferien hier gemeinsam genießen, so wie früher Lars und Eriks Eltern mit ihren Söhnen. Die Verwandtschaft würde sich einfinden …
Hellen riss den Kleiderschrank auf. Warum quälte sie sich mit solchen Gedanken und den Bildern, die diese in ihr hervorriefen?
Verwirrt durchsuchte sie die wenigen Kleidungsstücke im Schrank und fand tatsächlich eine passende Jeans und ein Shirt. Eilig ging sie mit ihren nassen Kleidern in der Hand nach unten.
Die untere Etage des Blockhauses bestand aus einer riesigen Wohnküche mit einer Feuerstelle an der einen und einem großen Tisch mit
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