Hochzeit in St. George (German Edition)
Kutscheninneren und warf einen kritischen Blick auf die schlichte graue Fassade. Was sie wohl hier erwarten würde?
»Ist es nicht hübsch?« fragte Hetty neben ihr. »Ich habe das Haus immer geliebt. Es erinnert mich an die glücklichen Tage mit Mama.« Sie eilte die kleine Treppe empor und betätigte energisch den Türklopfer. »Es ist so schön, wieder nach Hause zu kommen!«
Es dauerte geraume Zeit, bis die grüne Eingangstür geöffnet wurde. Ein kleiner, untersetzter Mann in einer abgetragenen grauen Uniform erschien im Türspalt. Das Gesicht mit den kleinen dunklen Knopfaugen und einem auffallend breiten Mund blickte ihnen abweisend entgegen. »Sie wünschen?« erkundigte er sich nicht eben freundlich.
»Aber Kermin!« rief Hetty Willowby entrüstet. »Sag bloß, du erkennst mich nicht mehr!«
Tiefes Erstaunen trat in seine Züge. »Miss Hetty!« rief er aus. »Ich wußte nicht, daß Sie in London sind. Kommen Sie doch herein! Ihr Bruder ist ausgegangen. Ich erwarte ihn nicht vor dem Morgengrauen zurück.« Er hatte die Tür aufgerissen und lud die Schwester seines Herrn mit weit ausladender Geste ein, einzutreten. Hetty drehte sich zu ihrer Begleiterin um. »Das ist Kermin. Er war einer der Diener auf Wild Rose Manor und hat mir das Reiten beigebracht, nicht wahr, Kermin? Nun ist er hier als Butler meines Bruders.«
»Butler ist gut«, wandte der Diener ein, und ein Lachen überzog sein breites Gesicht »Ich bin hier alles, Madam. Butler, Kammerdiener, Koch, Lakai – Nicolas Kermin zu Ihren Diensten.«
Catharine schenkte ihm ein müdes Lächeln, als sie ihn begrüßte.
»Das ist Madame de la Falaise. Eine gute Freundin von mir. Wir beide werden heute hier übernachten.«
Falls der Diener von dieser Mitteilung überrascht war, so ließ er sich nichts anmerken. Doch wahrscheinlich war er nicht überrascht. Er kannte die Willowbys. Sie waren berühmt für ihre außergewöhnlichen Einfälle. Hetty gab dem Kutscher einen Wink, mit dem Gepäck zu folgen, und betrat die Eingangshalle.
»Dunkel ist es hier«, stellte sie fest. »Warum brennen nur zwei Kerzen in den Leuchtern?«
»Ich habe nicht mit Gästen gerechnet«, stammelte der Diener verlegen.
Catharine blickte sich um. Es schien nicht, als wäre der Hausherr sehr begütert. Kein Teppich schmückte den blanken Marmorboden. An den Wänden zeugten weiße Flächen davon, daß hier vor nicht allzu langer Zeit Gemälde gehangen haben mußten. Wahrscheinlich hatte sie Hettys Bruder zu Geld gemacht.
»Kerzen sind teuer, Hetty«, sagte sie daher.
Kermin atmete auf. »So ist es, Mylady«, stimmte er zu. Froh, jemanden gefunden zu haben, der die Lage so schnell durchschaute.
»Wo ist denn der große Kronleuchter hingekommen?« wollte Hetty mit einem skeptischen Blick zur Decke wissen.
»Der Kronleuchter?« wiederholte Kermin. »Den hat ihr Herr Papa schon vor Jahren entfernen lassen.«
»Du meinst, er hat ihn verkauft?« vergewisserte sich Hetty. »Mir hat der Leuchter nie gefallen. Als Kind hatte ich stets Angst, er würde herunterfallen und mich unter sich begraben. Sicher hat er einiges eingebracht.« Sie wandte sich an ihre Begleiterin, um voller Stolz zu verkünden: »Wir Willowbys sind doch wirklich eine schreckliche Familie, nicht wahr?« Darauf wußte Catharine keine Antwort »Ich werde ins Obergeschoß laufen und Zimmer für uns aussuchen. Ist Mamas Zimmer unverändert? Gibt es mein Kinderzimmer noch?«
Kermin hatte sichtlich Scheu, die fremde Lady in das obere Geschoß zu lassen. »Gehen Sie bitte vor, Miss Hetty. Sie kennen sich doch sicher noch aus«, sagte er daher. Er öffnete die Tür zum angrenzenden Salon. »Wenn Sie inzwischen Platz nehmen wollen, Mylady. Ich werde sofort Feuer im Kamin anzünden.«
»Das ist eine gute Idee!« rief Hetty aus. »Wirklich, Catharine, setz dich auf die grüne Garnitur…« Sie warf einen Blick in den Raum.
»Aber wo ist denn die grüne Garnitur hingekommen?« fragte sie.
»Sag bloß, Richard oder Papa haben auch die Möbel verkauft? Da steht ja nur ein Lehnstuhl. Ich habe noch nie ein so leeres Zimmer gesehen. Und warum mußt du das Feuer anfachen? Gibt es sonst keinen Diener im Haus?«
»Es gibt Rosie, das Zimmermädchen«, erklärte Kermin. »Sie geht mir auch in der Küche zur Hand. Aber sonst haben wir keine weiteren Diener. Der Lehnstuhl ist wirklich bequem, Mylady«, wandte er sich wieder an Catharine, bevor er zum Kamin trat, um einige Buchenscheite aufzuschichten. Mit geübter Hand brachte er
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