Hochzeit in St. George (German Edition)
Quadrille lernen, Ric?« fragte er fasziniert. »Daß ich das erleben darf!«
»Spotte nur!« entgegnete sein Freund keineswegs beleidigt. »Hauptsache, du bleibst und setzt dich ans Klavier. Ich möchte die Angelegenheit hinter mich bringen.«
»Also dann!« Hugh nahm auf dem Klavierhocker Platz und begann, die Tonleiter hinauf und hinunter zu spielen. »Verstimmt«, sagte er mit kritischer Miene. »Du solltest einen Stimmer holen, Ric.«
»Tue ich, tue ich«, versprach sein Freund. »Sobald Burley zurückkommt, werde ich ihn beauftragen, Brian zu einem Stimmer zu schicken. Und heute nachmittag, spätestens morgen hast du ein gestimmtes Instrument. Doch jetzt muß es auch ein verstimmtes tun.«
»Morgen?« fragte Seine Lordschaft überrascht.
»Ja sicher!« rief Richard aus. »Ich bin zwar ein lemfreudiges Wesen. Aber in einem Tag schaffe ich das nie. Wenn wir jetzt nicht anfangen, beginnt Hettys Ball mit einer denkwürdigen Blamage. Hetty, komm zu mir. Wir wollen anfangen.«
Doch Hetty konnte sich nicht von Hugh losreißen. Sie stand am Klavier, die Ellbogen aufgestützt, den Kopf in beide Hände gelegt und sagte mit sehnsuchtsvollem Blick: »Ich würde so gerne Klavier spielen lernen. Seit ich denken kann, war dies mein größter Wunsch.«
»Möchten Sie, daß ich Ihnen Stunden gebe, Hetty?« erkundigte sich Seine Lordschaft, und ein leichtes Lächein huschte über seine Lippen.
»Würden Sie das tun?« rief Hetty aus, und es hatte den Anschein, als wäre sie Seiner Lordschaft am liebsten um den Hals gefallen.
»O danke, vielen Dank.«
»Hetty, du fällst lästig«, warf ihr Bruder ungerührt dazwischen.
»Aber er hat es mir doch selbst angeboten. Nicht wahr, Hugh? Sie finden es nicht beschwerlich, mir Unterricht zu geben?« verteidigte sich seine Schwester und wandte sich hilfesuchend an ihren Freund.
»Im Gegenteil. Es ist mir eine Freude«, entgegnete dieser galant.
»Du mußt wissen, was du tust«, war Richards abschließender Kommentar. »Und nun komm endlich, Hetty! Wie gehen die Anfangsschritte, Catharine? Bist du bereit, Hugh?«
So verging dieser Tag und der darauffolgende. Der von Richard versprochene Stimmer brachte das Klavier in Ordnung, und die von Hugh angeschlagenen Quadrilleklänge erfüllten das ganze Haus. Richard machte erstaunliche Fortschritte. Unter Catharines fachkundiger Anleitung und mit seiner Schwester als geübter Partnerin reiften seine Tanzkünste binnen kürzester Zeit der Vollendung entgegen. Die vier hatten großen Spaß zusammen, es wurde viel gelacht und gescherzt. Und so nahmen sie am ersten Tag nicht nur den Lunch, sondern auch das Dinner miteinander ein. Und weil es so gemütlich war und sie sich so hervorragend verstanden, beschlossen sie, ohne zu zögern, all die Abendveranstaltungen abzusagen, für die sie Einladungen erhalten hatten, um auch den Abend gemeinsam zu verbringen.
Richard hatte seinen für gewöhnlich recht ernsten Freund Hugh noch nie so ausgelassen erlebt, Hugh den unruhigen Richard noch nie so zufrieden und gelöst. Hetty und Catharine überboten sich gegenseitig an Charme und Esprit. Es hätte nichts gegeben, was diesen Abend noch vollkommener hätte machen können. Und als er, lange nach Mitternacht, zu Ende ging, als sich Hugh verabschiedet hatte und sich die drei in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, da stellte Richard Willowby zu seiner eigenen Überraschung fest, daß er sich verliebt hatte. Verliebt in Catharine, seine eigene Frau. Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Keulenschlag, und er sank auf der Bettkante nieder, die Hände im Schoß gefaltet.
Ob er sie je dazu bringen könnte, ihn auch zu lieben? Was sie wohl von ihm hielt?
Seit Catharine in sein Leben getreten war, schien er von einer völlig neuen Situation in die nächste zu geraten. Wobei die Lage, die er jetzt zu überdenken hatte, wohl die bisher schwierigste war. Auf neue Gegebenheiten konnte man sich ebenso einstellen wie darauf, plötzlich in die vornehmsten Häuser eingeladen zu werden. Höfliche Konversation zu machen war nicht weiter schwierig, tanzen konnte man lernen. Wie jedoch lernte man, das Herz einer Dame für sich zu gewinnen?
Richard mußte über sich selbst lachen. Das war ihm doch bisher nicht schwergefallen. Und doch wußte er, daß sein Gefühl für Catharine sich von all dem, was er bisher für eine Frau empfunden hatte, gravierend unterschied. Die anderen Damen wollte er für vergnügteStunden gewinnen und dazu, daß sie ihr Lager mit ihm teilten. Das
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